Cornelia Blum im sonicboom Space Interview

sonicboom Space: Cornelia Blum im Interview

von Christian Domke-Seidel

Wissen schafft Reichweite

Cornelia Blum leitet die Kommunikation der Universität Wien. Ein Job, der an sieben Tagen die Woche und 24 Stunden am Tag Aufmerksamkeit verlangt. Wie geht das?

Raben, die Boxen öffnen, und so zeigen, wie intelligent sie sind. Ein Nobelpreis. Neue Professorinnen und Professoren. Forschungsergebnisse zum Thema Langeweile. Und auch vom Netzwerk der ehemaligen Studierenden gibt es Neuigkeiten. Dazu kommen eher unangenehme Themen wie digitales Mobbing oder eine Debatte über Kettenverträge. Kurzum: Die Kommunikationsabteilung der Uni Wien muss rund um die Uhr die Augen offenhalten. Dafür verantwortlich ist Cornelia Blum, die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit. Im Interview mit sonicboom erklärt sie, was den Job zum besten in der Kommunikationsbranche macht.

 

Was heißt es, die Öffentlichkeitsarbeit einer Institution wie der Uni Wien zu leiten?

Das heißt, aus meiner Sicht, einen der spannendsten Jobs im Kommunikationsbereich haben zu dürfen. Weil es keinen spannenderen Content gibt – und da kann ich nur unseren Wissenschaftlern danke sagen. Sie haben die Begeisterung für die Themen, die sie an uns weitergeben. Unser Job ist es dann, das weiterzuvermitteln. Mein Team und ich sind dafür verantwortlich, die universitäre Kommunikation zu planen und zu koordinieren. Das tun wir für die beste Universität Österreichs. Die Uni Wien ist eine der größten Arbeitgeberinnen in Wien. Wir haben 10.000 Mitarbeitende und 50.000 aktive Studierende in über 180 Studienprogrammen. Das beschreibt gleichzeitig die Herausforderung in der Kommunikation. Es gilt, ein sehr breites Fächerspektrum zu vermitteln. Für uns ist es immer wieder eine Herausforderung, die richtigen Akzente zu setzen und einen passenden Kontext herzustellen, damit die Themen der Wissenschaft anschlussfähig sind an eine gesellschaftliche Fragestellung.

Was sind die Besonderheiten in der Kommunikation einer Universität im Vergleich zum gleichen Beruf in der Industrie?

Das Grundhandwerk, die Kriterien der Kommunikation, was es heißt, einen professionellen Auftritt für eine Institutionen dieser Größe zu gestalten – da unterscheidet sich eine Universität nicht von einem Unternehmen. Die Besonderheit ist, dass wir eine Expertenorganisation sind, in der die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ihrer Expertise in ihrem Fachbereich eigene Kommunikationsaufgaben haben. Eine wichtige Aufgabe ist bei uns daher, Personen, die diese kommunikative Aufgabe auch aktiv wahrnehmen, darin zu begleiten, ihre Kommunikationsskills laufend zu verbessern.

Wer ist denn Ihr Zielpublikum? An wen richtet sich Ihre Kommunikation?

Das beginnt intern bei den Mitarbeiter:innen. Hier gibt es eine zweite Besonderheit in der Kommunikation bei einer Universität: unsere Studierenden. Dazu kommen auch die potenziellen Studierenden. Das Thema ‚Rekrutierung‘ wird bei Mitarbeiter:innen, wie auch Studierenden immer wichtiger.

Wobei Studierende keine Kund:innen sind.

Nicht im klassischen Sinn. Die Studierenden sind viel stärker im System Universität eingebunden – die gesetzliche Definition ist, dass Mitarbeitende und Studierende Angehörige der Universität Wien sind. Moderner übersetzt würde ich sagen, dass sie Teil der Uni Wien Community sind und die Universität auch mitgestalten. Dieses Konstrukt kann man nicht so leicht auf ein Unternehmen übertragen.

Damit endet Ihr Zielpublikum aber nicht.

Nein. Dann haben wir die klassischen Journalist:innen und Stakeholder als unsere Zielgruppen. Dazu kommt das internationale Umfeld. Hier ist ganz konkret die internationale wissenschaftliche Community extrem wichtig. Als international ausgerichtet Universität ist es entscheidend, in bestimmten wissenschaftlichen Diskursen auch sichtbar zu sein. Dabei geht es auch um die Wissenschaftler:innen. In verschiedenen Phasen der Karriere überlegen sie sich, welche Institution für sie interessant sein könnte. Für die Uni Wien ist es natürlich entscheidend, dass sie im Pool der Institutionen, die für die Wissenschaftler:innen infrage kommen, auftaucht. Der zweite Punkt bei dieser internationalen Sicherheit sind mögliche Kooperationspartner, um bei neuen Projekten und Fragestellungen in der Wissenschaft dabei zu sein.

Wenden Sie sich auch an die breite Öffentlichkeit?

Die sogenannte breite Öffentlichkeit ist eine Zielgruppe, bei der ich eine Definition für äußerst schwierig halte – es gibt sie und es gibt sie nicht. Wir versuchen durchaus erfolgreich, diese Zielgruppe themenorientiert anzusteuern. Wir setzen kommunikative Schwerpunkte pro Semester. Im vergangenen Semester war das Thema Planetary Health, Nachhaltigkeit und Klimaentwicklungen. Durch die Digitalisierung können wir sehr gut targeten, wer aus der ‚Breiten Öffentlichkeit‘ sich auch für dieses Thema interessiert und unseren Content auch in einem internationalen Umfeld ausspielen.

Wie sehen denn die Prozesse aus? Wie organisieren Sie eine derart umfangreiche Kommunikation?

Wir haben uns für einen Outside-In Ansatz entschieden. Wir haben sechs Zielgruppen definiert, pro Zielgruppe gibt es bei uns im Team eine verantwortliche Person. Sie übernimmt die Gesamtkoordination, die an der strategischen Zielsetzung der Universität Wien ausgerichtet ist. Dabei gibt es immer wieder Überschneidungen, bei denen es um Ressourcen, Aussteuerungen und die Gewichtung der Themen geht. Über die Zielgruppen hinweg gibt es eine Gesamtsteuerung, die bei mir als Leitung zusammenfließt. Ergänzend dazu haben wir unsere Channel-Expert:innen, Es wird nicht der Content im Channel gezielt auf eine Zielgruppe hin kreiert. Ein Beispiel ist Instagram. Dort erreichen wir insbesondere die Studierenden und potenziellen Studierenden. Entsprechend richten wir unseren Content aus.

Ändern sich die Zielgruppen?

Was die Zukunft bringen wird, ist, dass eine stärkere Differenzierung der Zielgruppen notwendig wird. Das sind einfach die Kommunikationsanforderungen. Ein Beispiel sind die Studierenden, weil einfach die Bildungsangebote sukzessive diverser werden. Nur, weil ich in Wien lebe, heißt noch lange nicht, dass ich auch in Wien studiere. Junge Menschen sind viel internationaler unterwegs. Das heißt, ich muss als Universität Wien ein gutes Angebot machen können, um die Uni Wien als Studienort in die engere Wahl zu ziehen.

Welche Kanäle verwenden Sie denn neben Instagram noch?

Wir nutzen alle klassischen Social-Media-Kanäle. Was wir bisher nur für Paid Content verwenden, ist TikTok. Das ist eine Entscheidung, die wir jetzt gerade wieder ein halbes Jahr aufgeschoben haben. Bei LinkedIn geht es vor allem darum, Mitarbeitende und potenzielle Mitarbeitende zu erreichen. Wir nutzen es aber auch, für unser Alumni-Netzwerk. Twitter – oder X ­– nutzen wir für Journalist:innen, Opinion-Leader und zur Vernetzung im internationalen Kontext. Bei Xing und Mastodon spiegeln wir derzeit den Inhalt von LinkedIn beziehungsweise Twitter.

Wie messen Sie den Erfolg einer Kampagne?

Wir haben in der Regel einen Mix aus KPIs und qualitativen Zielen. Das heißt, bevor wir beginnen zu kommunizieren, wissen, wir was wir erreichen wollen. Nur dann kann ich feststellen, ob ich am Ende des Tages erfolgreich kommuniziert habe. Das bewerten wir über unsere Kommunikationscontrolling – Reichweiten, Conversion, all diese Dinge. Das hat je nach Kampagne und Zielgruppe immer eine unterschiedliche Gewichtung. Im eigentlichen Sinne kommunizieren tue ich dann, wenn ich in die Interaktion gehe. Wir verstehen uns als Kommunikationsabteilung, bei der es um den Austausch geht.

Wie wichtig ist für Sie der digitale Fußabdruck?

Das ist etwas, was uns wirklich beschäftigt. Wiki-Media oder die Googlekonsole sind mindestens genauso wichtig wie unsere owned media. Wir versuchen systematisch, dass der Fußabdruck der Uni Wien stimmig und strategisch ausgerichtet ist.

Wenn Kommunikation für Sie vor allem Austausch bedeutet, hat die Community sicherlich einen besonderen Stellenwert?

Wenn ich ein Channel bediene, dann brauche ich die entsprechenden Ressourcen dafür. Das haben wir geschafft, weil wir pro Channel klare Verantwortliche mit entsprechender Expertise haben. Die Dynamik ist teilweise enorm. Da müssen wir sieben Tage die Woche und 24 Stunden am Tag ein Auge draufhaben. Wir gestalten die Prozesse so, dass wir möglichst schnell Zugriff auf das Knowhow und die Quellen in der Universität haben. Weil wir natürlich nicht auf alle Fragen, die aus der Community kommen, die Antwort kennen.

Sieben Tage die Woche und rund um die Uhr?

Sieben Tage und fast rund um die Uhr. Ich glaube, nur so geht es. Ohne würde ich nicht schlafen gehen wollen.

Am Freitagnachmittag noch schnell ein Posten raushauen und dann ins Wochenende gehen, ist also nicht möglich.

Nein, das spielt sich nicht. Es kommt immer wieder vor, dass sich am Wochenende Kommunikationsnotwendigkeiten ergeben.

Wie kommunizieren Sie kritische Themen wie Plagiate oder Kettenverträge?

Nicht viel anders als andere Themen. Es gibt an Universitäten eine breite Palette an möglichen Krisensituationen. Das liegt in der Natur der Sache einer so großen und breit aufgestellten Institution. Das reicht von Facilitythemen, bis zu wissenschaftlichem Fehlverhalten. Wir sind in die Krisenstabstruktur der Universität Wien eingebunden. Dort gibt es Standards, die von der Uni Wien klar definiert wurden. Wir haben einen gemeinsam Stufen- und Krisenplan, der festlegt, wie wir Dinge bewerten, Leute beraten und darauf reagieren können. Die hohe Kunst ist, nicht emotional zu reagieren und das Ausmaß einer Krise richtig einschätzen zu können. Denn das, was im persönlichen Feed ankommt, fühlt sich oft viel größer an, als die realen Auswirkungen tatsächlich sind.

Hätten Sie ein praktisches Beispiel für mich? Was war Ihr letzter Shitstorm?

Also der Begriff ‚Shitstorm‘ … es ist ja eher ein lawinenartiges Verhalten, dass da stattfindet. Das letzte, an das ich mich erinnern kann, das für uns ressourcenintensiv war, betraf eine Wissenschaftlerin der Universität Wien. Die hatte das Pech, dass eine Person wirklich alles dafür getan hat, sie mit Unterstellungen, Falschaussagen, persönlichen Beleidigungen, bis hin zu Bedrohungen zu attackieren. Das hat eine extreme Stresssituation verursacht. Herausfordernd war, das von den digitalen Kanälen der Universität wegzukriegen. Dafür brauchte es auch Vertrauen von der betroffenen Person, gewisse Dinge in unsere Hände zu geben. Und die Erkenntnis, dass eine unmittelbare Reaktion nicht immer die beste Lösung ist.

Die vergangenen Jahre waren sehr bewegt. Corona, Inflation, eine Vielzahl an Kanzlern … wie kann man da eine langfristige Strategie festlegen?

Wir arbeiten mit der Strategieplanung der Universität, wo wir im Entwicklungsprozess auch regelmäßig Updates bekommen von der Universitätsleitung. Abgeleitet aus dieser Strategieplanung machen wir einen Vorschlag für den mittelfristigen Kommunikationsplan. Der soll sechs Jahre in den Blick nehmen und nach drei Jahren aktualisiert werden. In den letzten Jahren hatten diese gesellschaftlichen Entwicklungen natürlich Einfluss auf unsere Planungen. Dazu zählen auch positive Dinge wie der Nobelpreis im vergangenen Jahr. Der hat unsere Planungen völlig über den Haufen geworfen. Aber ich glaube, dass eine gute Planung die beste Voraussetzung ist, um flexibel reagieren zu können.

 

Cornelia Blum und die Universität Wien im Web: