Goldschmuck für alle
Es gibt so Momente, da zündet das Leben den Turbo. Bei Rana Aktas hält dieser Moment bald drei Jahre an. Sie ist die Gründerin von boops jewelry. Die Idee ist, echten Goldschmuck einem möglichst breiten Publikum zu ermöglichen. Mit – soweit möglich – günstigen Preisen. Wer günstig kauft, kauft zweimal. Wer von Anfang an in Echtgold investiert, legt sogar etwas für schwere Zeiten zurück. Aktas begann mit nur einem Ohrring-Modell und einer Homepage. Inzwischen wurde daraus ein Juwelier im ersten Wiener Gemeindebezirk. Im Interview mit sonicboom erklärt sie, wie aus Usern echte Kunden werden.
Wann hast du dein erstes Schmuckstück verkauft?
Das war im Dezember 2020, eine Woche nach der Gründung. Es gab damals eine Website, einen Online-Shop und ein Paar Ohrringe, das man kaufen konnte.
Was war dein Plan? Wie hast du das Geschäft aufgebaut?
Ehrlich gesagt, bin ich recht naiv an diese ganzen Sachen rangegangen. Anfangs habe ich das auch nicht als Business gesehen, sondern es war ein Fanprojekt zum Ausprobieren. Also habe ich einfach mal einen Instagram-Kanal gegründet. Zunächst gab es tatsächlich nicht mehr. Ein Instagram-Kanal mit drei Posts. Dann habe ich Influencer gesucht, die mit mir zusammenarbeiten könnten und habe allen möglichen Menschen meinen Ohrring vorgestellt – diesen einzigen, den ich hatte – und erklärt, was uns besonders macht. Und tatsächlich habe ich drei, vier, fünf Influencerinnen überzeugen können. Und Schwups, schon kam die erste Bestellung rein.
Was macht euch denn so besonders?
Einerseits machen wir bei boops echten Goldschmuck. Das ist grundsätzlich nichts Besonderes, aber in der Zielgruppe, in der wir uns bewegen, eben schon. Es gibt einen extremen Boom an Schmuckmarken, die vergoldeten Schmuck verkaufen, keinen echten. Uns macht aus, dass wir echten Goldschmuck haben und den zu günstigen Preisen anbieten. Wir sind also ein Konkurrent zu herkömmlichen Juwelieren, die ähnliche Ohrringe auf der Kärntner Straße für 400 oder 600 Euro anbieten, während wir sie für 150 Euro verkaufen. Damit gehen wir an die Menschen heran – dass sich auch eine jüngere Generation Echtgold leisten können sollte. Und diesen Menschen bewusst wird, dass es ein nachhaltiger Schritt ist, anstatt regelmäßig für 100 Euro etwas Vergoldetes zu nehmen, das nach einem Jahr unbrauchbar ist. Meine Background-Story hat natürlich auch geholfen.
Welche ist das?
Ich bin zu den Influencern gegangen und habe die Geschichte meiner Familie erzählt. Ich komme aus der Türkei und dort hat Goldschmuck eine andere Bedeutung. Vor allem für Frauen. Es ist für sie ein Investment und nicht nur ein Schmuckstück. Auch auf türkischen Hochzeiten wird Goldschmuck hergeschenkt. Ich glaube, dieses Gesamtpaket ist gut angekommen.
Wie entstehen deine Schmuckstücke?
Die entstehen alle in der Türkei bei mittlerweile drei Goldschmiedeateliers und sind zu 80 bis 85 Prozent aus recyceltem Gold. Beim Schmuck-Design beginnen wir immer mit klassischen Pinterest-Boards oder Moodboards. Das mache ich gemeinsam mit der Tochter eines Goldschmieds. Wir schauen uns an, was in den 1970ern und 1980ern getragen wurde und ein zeitloses Design hat. Ich versuche auch immer wieder Zeichnungen anzufertigen, aber in der Hinsicht bin ich nicht sehr talentiert. Aber ich gebe dem Schmied immer Designideen mit – wo die Diamanten liegen sollen oder wo der Verschluss anfangen und aufhören soll.
Was ist dein beruflicher Hintergrund?
Ich habe im Bachelor Publizistik studiert und habe einen Master in Kommunikationsmanagement. Ich habe schon sehr viele Jobs gehabt, weil ich arbeite, seit ich 15 Jahre alt bin. Auch im Social-Media-Bereich und Werbeagenturen. Seit fast vier Jahren arbeite ich in der Chemiebranche. Ich bin also eine Quereinsteigerin. boops ist mein Zweitjob.
Ein eigener Juwelier im ersten Wiener Gemeindebezirk als Nebenjob?
Dass wir im ersten Bezirk gelandet sind, ist ein Zufall. Ein eigenes Geschäft war aber – zumindest unterbewusst – immer mein Traum. Bei boops ist alles, was bis jetzt passiert ist, nicht wirklich strategisch geplant gewesen. Eines nach dem anderen hat sich ergeben. Wenn es eine neue Möglichkeit gab, habe ich sie ergriffen. Es war alles von Anfang mit wenig Budget und noch weniger Zeit eingeplant. Schließlich habe ich noch einen Vollzeitjob. Das Ziel war, den Echtgoldgedanken zu verbreiten, nicht eine Firma aufzubauen. Jetzt haben wir mittlerweile zwei Mitarbeiterinnen plus eine Freelance-Mitarbeiterin.
Wie fing das alles an?
Ich habe mir die Frage gestellt, wie sich der Gedanke am besten kommunizieren lässt. Das war Social Media. Dann habe ich verstärkt festgestellt, dass die Menschen, die Produkte lieber anfassen möchten. So habe ich meinen ersten Press-Day veranstaltet, zu dem viele Influencer und Journalisten gekommen sind. Das hat so gut funktioniert, dass ich einen Popup-Store eröffnen wollte. Weil ich mich erst einmal nicht für lange Zeit committen wollte und so wenig Risiko wie möglich eingehen wollte. Also habe ich nach einem Popup-Store Ausschau gehalten, den ich über die Weihnachtszeit zwei Monate öffnen wollte. Ich habe einen Laden gefunden, alles war schon organisiert, bis mir zwei Tage vor Einzug der Vermieter abgesagt hat. Da hatten wir schon einiges geplant. Ich hatte Mitarbeiterinnen angestellt und Möbel organisiert.
Und dann?
Dann hat sich der Vermieter schlecht gefühlt, dass es so kurzfristig zu einem Problem kam und hat mir den Store im ersten Bezirk angeboten. Den könnte ich für zwei oder drei Monate haben.
Und daraus ist ein Jahr geworden?
Das war auch nicht geplant. Weder, dass wir so lange bleiben, noch dass der Laden so gut ankommt. Ich bin allerdings ein Mensch, der ungern einen Schritt zurück macht. Und dieser Laden ist für mich ein Meilenstein.
Hat sich durch den Laden deine Kundenbasis verändert?
Definitiv. Durch den Store hatten wir einen Zuwachs von etwa 25 Prozent bei den Verkäufen. Wir haben anfangs vor allem Personen aus Deutschland erreicht und dorthin die Ware versendet. Durch den Store in Wien haben wir viel mehr österreichische Kundschaft dazugewonnen. Und die Altersstruktur hat sich verändert. Im ersten Jahr haben wir auch aufgrund der Werbung über die Social-Media-Kanäle hauptsächlich 25- bis 35-Jährige erreicht. Jetzt bedienen wir Menschen in der Spanne zwischen 18 und 70 Jahren. Aktuell merke ich, dass die Entwicklung weitergeht. Im Handel braucht man ein bis zwei Jahre, bis sich ein neues Geschäft herumgesprochen hat. Mittlerweile kommen immer mehr Kunden, die im letzten Jahr schon einmal bei uns waren oder eine Empfehlung von Freunden bekommen haben.
Wie habt ihr darauf reagiert? Haben sich die Produkte verändert?
Wir haben uns sehr stark weiterentwickelt, weil wir sehr viel Feedback von den Kunden bekommen. Das ist mir wichtig und macht mich auch sehr glücklich. Eine Kundin hat mir vier Seiten Feedback bezüglich eines Ohrringes geschickt. Anhand dieser Basis habe ich dann die Schmuckstücke oder die Kollektion weiterentwickelt.
Wie macht man denn aus Usern Kunden?
Mit Storytelling. Darum dreht sich alles. Die Geschichte muss glaubhaft sein und Sinn ergeben. Und man muss in direkter Kommunikation mit dem Kunden sein. Wir sind noch ein recht kleiner Social-Media-Kanal mit 5.000 Abonnenten. An manchen Tagen erreichen wir 600 Menschen, an anderen 1.000. Wir haben also eine recht kleine Community, die mit unser aber sehr viel interagiert. Und wir antworten immer auf alles und gehen auf die Themen ein. Wenn ich Pakete verschicke, schreibe ich heute noch teilweise kleine Notizen und schicke sie mit. Dann kriege ich Fotos der Kundin zugeschickt. Und wir kommunizieren offen. Wenn es Probleme mit einem Goldschmied gab, die Lagerbestände niedrig sind oder sich die Schmucklieferung verzögert. Wir haben Bestellungen, da kauft eine Kundin zum 16. Mal bei uns ein. So viele Schmuckstücke habe ich selbst nicht.
Ihr habt eine steile Wachstumskurve hinter euch. Was sind deine Lerneffekte?
Das Wichtigste ist die Anpassungsfähigkeit und die Flexibilität. Weil sich die Dinge tagtäglich ändern. Und man muss Stressresistent sein. Das Beste wäre, ein Oktopus zu sein, dann könnte man an acht Dingen gleichzeitig arbeiten. An manchen Tagen wird es mir zu viel. Vor zwei Monaten beispielsweise kam das Arbeitssicherheitsamt und meinte, die Mitarbeiterinnen bräuchten einen Pausenraum, eine Küche und eine eigene Toilette. So etwas ist im ersten Bezirk nur schwer möglich – das Geschäft hat nur 13 Quadratmeter.
Das Geschäft gab es doch vorher. Wie hat der Vormieter das gelöst?
Erstens wurde mir gesagt, dass ich wahrscheinlich von einem Mitbewerber gemeldet wurde. Weil es sehr unüblich ist, das so schnell nach einer Geschäftseröffnung schon kontrolliert wird. Ich hatte das Glück, dass die Herrschaften, die kontrolliert haben, sehr freundlich waren und mir Tipps gegeben haben, wie ich das Problem lösen kann. Seitdem gab es keine Rückmeldung mehr.
Was sind denn deine Pläne für boops?
Das ist vielleicht nicht besonders geschäftstüchtig, aber ich habe keinen Plan. Auch, weil es nur mein Zweitjob ist. Mit der spontanen Art bin ich bisher sehr gut gefahren. Wenn ich Dinge plane, funktionieren sie meist nicht so gut, weil immer was dazwischenkommt. Was mir wichtig ist, ist dass wir jedes Jahr eine Spendenaktion haben. Das ist ein größerer Plan. Im ersten Jahr haben wir an die Frauenschutzhäuser gespendet, danach an die Kinderkrebshilfe. Mal sehen, für wen wir in diesem Jahr sammeln. Außerdem würden wir gerne unsere Schmuckstücke außerhalb Europas verschicken, da wir immer mehr Anfragen aus den USA erhalten.