sonicboom Space

sonicboom Space: Oberst Michael Bauer im Interview

von Christian Domke-Seidel

Message Control und Twitter-Beef: Interview mit Oberst Michael Bauer vom Bundesheer

Oberst Michael Bauer ist Pressesprecher des österreichischen Verteidigungsministeriums, Spezialist für Krisen-Kommunikation und Twitter-Fan. Ein Interview.

Wer eine Meinung zum Bundesheer hat, kennt auch Oberst Michael Bauer. Er ist der Pressesprecher des österreichischen Verteidigungsministeriums, Experten in Sachen Krisen-Kommunikation und sehr präsent auf Twitter. Sei es im Streit mit Armin Wolf über die Frage, ob am Nationalfeiertag Abfangjäger über Wien fliegen dürfen. Oder als Speerspitze in der Debatte darüber, wie viele Veganer es beim Bund gibt.

Mit Sonicboom sprach Oberst Michael Bauer darüber, wie sich Kommunikation für das Bundesheer am besten umsetzen lässt. Und ob es in Zeiten der Dauerdiskussion überhaupt so etwas wie eine Message Control gibt. Dazu erläutert Bauer, welche Vorteile es hätte, große Teile der Pressearbeit des Bundesheeres über Twitter laufen zu lassen. Und warum ein guter Streit dabei so hilfreich ist, dass es sich sogar lohnt, absichtlich welche vom Zaun zu brechen.

Guten Tag Hr. Bauer, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Wie ist die korrekte Anrede?

Herr Oberst. Aber ich lege keinen Wert auf Titel. Meine sind nur ersessen und nicht erkämpft.

Sie sind verantwortlich für die Krisenkommunikation des Verteidigungsministeriums. Sind wir derzeit in einer Krise?

Nein. Wir haben drei Ereignisse als Krise definiert. Ein Soldat stirbt während des Dienstes eines unnatürlichen Todes. Oder eine Zivilperson wird durch das Bundesheer schwer verletzt oder getötet. Oder ein Soldat ein wird beim Auslandseinsatz durch Feindeinwirkung verwundet.

Warum diese drei?

Weil wir gelernt haben, dass diese drei Vorkommnisse zu einem derart hohen medialen Interesse führen, dass wir das nur mit einer eigenen Struktur und einem speziellen Ablauf bewältigen können. Krisenmodus heißt, dass alle anderen Aufgaben nicht mehr durchgeführt werden können. Krisen müssen deswegen die Ausnahme bleiben.

Der Einmarsch in der Ukraine war demnach keine Krise.

Nein. Aber wir haben am 16. Jänner bereits, als wir wussten, dass ein Angriff zu 100 Prozent kommt, fünf Experten nominiert, die wir entsprechend vorbereitet hatten. Ab dem 24. Februar haben wir diese Experten dann allen Medien angeboten. Im Inland, aber auch im Ausland. Seitdem sind sie ständig im Einsatz.

Wie flexibel sind Sie mit den Definitionen? Auch ein Cyberangriff auf kritische Infrastruktur wäre keine Krise?

Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Im Februar 2009 gab es einen Unfall auf einer Autobahn nördlich von Wien. Das Bundesheer hatte auf einem benachbarten Übungsplatz eine Nebelgranate gezündet, darauf ist es zu einer Massenkarambolage gekommen. Eine Frau wurde getötet und mehrere Personen schwer verletzt. Wir hatten damals keinerlei Vorsorge, was Krisen betrifft. Wir haben im Nachhinein betrachtet, alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Alles. Das hat dazu geführt, dass wir ein Konzept entwickelt haben, wie mit Krisen umgegangen werden muss.

So entstanden die drei Definition?

Mit diesen drei Definitionen sind wir seit 2009 immer richtig gelegen. Es hat keinen Fall mehr, den wir zusätzlich als Krise behandeln hätten müsse. Die Krise steht in der Kommunikation ganz oben. Darunter die übliche Medienarbeit. Und dazwischen sind Ereignisse mit einem erhöhten Kommunikationsaufwand. Ein Cyberangriff wäre genau das. Den könnte die Pressestelle des Bundesheeres auch kommunizieren, ohne in den Krisenmodus zu gehen. Aufgrund unserer Struktur, den Abläufen und der Ausbildung.

Was ist das Ziel Ihrer Krisenkommunikation?

Im Wesentlichen geht es darum, den Tisch so schnell wie möglich wieder frei zu haben für das Kerngeschäft. Ich würde es mal vergleichen mit einem Fastfood-Laden. Findet Kunden dort eine tote Maus im Essen, wird das zu einem Geschäftseinbruch führen. So lange nicht geklärt ist, wie das passieren konnte, wie kann das verhindert werden kann und was die Konsequenzen daraus sind, wird der Laden weniger Geschäft machen. Das ist bei uns ähnlich. So lange wir negativ in der Kritik, so lange gibt es negative Auswirkungen auf unser Image. Daher ist das oberste Ziel der Krisenkommunikation, die Geschichten so schnell wie möglich vom Tisch zu schaffen.

Wie geht das?

Indem man klar sagt, was passiert ist. Was wurde gemacht? Was wurde falsch gemacht? Welche Konsequenzen gibt es? Nachdem wir eine Non-Profit-Organisation sind, werden wir nicht weniger verkaufen. Aber es hat Auswirkungen auf unser Image und auf die Bereitschaft, das Bundesheer zu unterstützen.

Ist Twitter dafür der richtige Kanal?

Twitter ist der Taktgeber. Wenige Minuten nach einem Krisen-Ereignis weiß man noch nicht viel. Auf alle Fälle zu wenig, um eine Pressekonferenz oder eine Presseaussendung zu machen. Aber für 280 Zeichen reicht es. Das ist der Vorteil von Twitter. Wir hatten einmal einen schweren Unfall, da haben wir keine Presseaussendung verschickt, sondern nur mit Tweets gearbeitet.

Wie zielgerichtet lassen sich die Botschaften des Verteidigungsministeriums im Internet kommunizieren?

Ich würde die Kanäle extrem unterscheiden. Instagram ist ein Kanal, auf dem uns hauptsächlich junge Männer folgen, die ein sehr positives Bild vom Bundesheer haben. Salopp gesagt sind das die Groupies. Auf Facebook ist es ähnlich. Dort müssen wir relativ wenig in die Diskussionen eingreifen, weil sich das von selbst regelt. Auf Twitter ist das völlig anders. Dort geht es viel toxischer zu. Das Bundesheer polarisiert dort mehr.

Dort finden Debatten statt, die es auf Instagram und Facebook nicht gibt.

Es gibt Leute, die kenne ich auch vom Namen, die schreiben nie etwas und liken nichts. Außer, wenn es irgendetwas gibt, das polarisiert. Es gibt Menschen, die dem Bundesheer sehr kritisch gegenüberstehen und es ablehnen, mir aber dennoch folgen. Eigentlich ein Paradoxon. Die warten dann nur darauf, dass sie sich wieder aufregen können.

Ist Kommunikationskontrolle möglich?

Wir haben eine Person, der bei uns Social-Media-Monitoring macht. In erster Linie unsere Kanäle. Die schaut aber auch über den Tellerrand. Aber wirklich strukturiert machen das nicht wir, sondern das Heeresnachrichtenamt und das Abwehramt. Da geht es darum zu sehen, ob irgendetwas Einfluss auf das Bundesheer nimmt und ob das eine Gefahr ist.

Und Im eigenen Haus?

Wir haben als Unternehmen Bundesheer ein Interesse daran, dass Soldaten Vorgesetzte nicht öffentlich beschimpfen. Oder dass sie sich auf eine Abrüstung freuen. Man kann es aber nicht verhindern. Man kann nur im Nachhinein das persönliche Gespräch suchen und den Leuten erklären, dass sie damit ihrer eigenen Organisationen, ihren Kollegen und sich selbst schaden.

An zwei Themen kochten auf Twitter ziemlich hoch. Zum einen ein Rabenbanner in einem Bundesheer-Video. Und zum anderen eine hitzige Debatte mit Armin Wolf über die Flüge von Abfangjägern über Wien. 

Beim Rabenbanner habe ich den Fehler gemacht, die Kritik sehr persönlich zu nehmen. Das ist immer das Problem, wenn man nicht mit dem Namen einer Institution twittert, sondern als echte Person. Wenn einer schreibt ‚Polizisten sind Verbrecher‘, dann haben die Menschen hinter dem Account der Polizei Wien einen anderen Zugang dazu, als wenn mir direkt einer schreibt ‚der Bauer soll im Stall bleiben‘.  Dann habe ich oft das Gefühl, mich und das Bundesheer verteidigen zu müssen. Beim Rabenbanner ging deswegen ein Sturm los, weil es hieß, ich wolle das verharmlosen.

Wie ging es aus?

Der Soldat hatte einen Rabenbanner auf der Uniform. Das ist ein Verstoß gegen die Adjustierungsvorschrift. Das ist wie eine Verwaltungsübertretung – falsch parken oder so. Viele Leute sagten aber, das sei ein rechtsradikales Symbol. Als Sprecher muss ich aber die Person schützen. Im Nachhinein wurde festgestellt, dass das Rabenbanner kein verbotenes Symbol ist.

Und die Diskussion mit Armin Wolf?

Die war etwas anderes. Die bringt Reichweite. Das sage ich ganz offen. Deswegen habe ich früher auch mit Florian Klenk Sträuße ausgefochten. Mittlerweile ist es aber so, dass wir uns vorher anrufen. Oder ich bitte ihn, etwas erst am Montag zu posten, damit er mir nicht das Wochenende versaut. Hinterher treffen wir uns auf einen Kaffee. Auch die Diskussion mit Armin Wolf führt natürlich dazu, dass ich plötzlich viele neue Follower habe. Weil die Schnittmenge an Followern zwischen Armin Wolf und mir ist sehr klein. Wenn seine Follower aber sehen, dass er sich mit mir beschäftigt, beschäftigen die sich auch mit mir. Unser Streit hat es sogar in die Printmedien geschafft und das bringt wieder Reichweite.

Sind das Tage, an denen man sich wünscht, nicht auf Twitter zu sein? Oder man sich fragt, ob man nicht auch konservativer kommunizieren zu können?

Wenn das meine Frau hört, wird sie sagen: ‚Ja, super. Endlich sagt es mal jemand.‘ Ich versuche, weniger zu twittern. Früher habe ich das auch am Wochenende und im Urlaub gemacht. Aber es gibt ja auch die guten Seiten. Twitter bietet mir eine Bühne, auf der mir 15.000 Leute zuhören. Dort kann ich dann verkünden, dass ein Unteroffizier einem Menschen das Leben gerettet hat. Da erreiche ich Leute, die das sonst nirgendwo anders lesen würden.

Was ist ihr Rat an Menschen, die sich eine erfolgreiche Twitter-Präsenz aufbauen wollen?

Ich muss mir überlegen, wie ich auf Twitter wahrgenommen werden will. Ich zum Beispiel twittere nichts Persönliches. Kein User kann herausfinden, wo ich wohne, wo ich auf Urlaub bin oder welche Partei ich wähle. Entweder man nutzt es privat oder beruflich. Man kann schreiben, dass man sich einen neuen Mixer gekauft hat. Das ist legitim. Aber als Behörde gerät man in die Gefahr, dass sich das alles vermischt. Man muss sich überlegen, wo die eigenen Grenzen sind. Es hat mich schon oft gereizt, zu bestimmten Themen etwas zu schreiben oder einen Tweet zu liken. Persönliche Anliegen kann man aber durchaus mit einbringen. Ich will nicht nur als einseitiger Apparatschik wahrgenommen werden, sondern als Mensch mit Ecken und Kanten. Für die einen macht mich das sympathischer, für andere unsympathisch.

Was raten Sie Menschen, die in einem Shitstorm sind?

Das Allerwichtigste ist: Nicht in den Shitstorm kommen. Oft ist vorher absehbar, dass ein Tweet explodieren könnte. Wenn man merkt, dass man drinnen ist, ist es wichtig, sehr schnell die Reißleine zu ziehen und sich einfach zu entschuldigen. Das wirkt Wunder. Dann ist die Luft draußen. Denn was wollen die Kritiker dann noch sagen? Und spätestens nach 48 Stunden wird die nächste Sau durchs Dorf getrieben.

Geht Ihnen sowas nahe?

Wenn mich jemand auf Twitter beschimpft, dann ich bin nicht der Typ, der dem das alles egal ist. Ich beginne nicht zu weinen, aber es lässt mich auch nicht kalt. Und am meisten tut es weh, wenn man weiß, derjenige hat Recht. Es Themen, da werde ich stellvertretend für das Bundesheer kritisiert und denke mir oft: ‚Ja, du hast Recht.‘ Aber das kann ich nicht schreiben.

Was passiert denn mit denn mit der Krisenkommunikation des Verteidigungsministeriums, wenn Sie einmal den Job wechseln oder in Rente gehen?

Ich habe vor, dass ich diesen Account, wenn ich in Pension gehe, in meinen Privatbesitz überführe und dann als Privatperson weiter twittere. Wenn es mir dann noch Spaß macht. Mein Ziel ist es, einen Bundesheer-Account auf Twitter aufzubauen, den nicht ich betriebe, sondern die Pressestelle. Das mangelt derzeit am Personal.

Oberst Michael Bauer im Web