Sylvia Gstättner

sonicboom space: Hermann Prax im Interview

von Christian Domke-Seidel

Hermann Prax leitet die Kommunikation der Porsche Holding. Wie man Škoda und Lamborghini, E-Fuels und E-Autos, Nachhaltigkeit und Emotionen unter ein Dach bekommt, erklärt er im großen Interview.

Es gibt einerseits bestimmt dankbarere Berufe, als den der Kommunikationsleitung der Porsche Holding. Jüngst hielt wieder der Diesel-Prozess rund um Rupert Stadler viele Medien in Atem. Davor waren es Zwangsarbeit in China, Lieferkettenprobleme und stockende E-Auto-Absätze. Und das alles im Schatten der Klimakatastrophe. Aber andererseits ist es eben auch ein Job, der täglich neue Herausforderungen bietet. Und die Möglichkeit, aktiv an der Verkehrswende mitzuarbeiten. Und Hermann Prax macht genau das mit Begeisterung. Enthusiastisch kann er über die Marken und Zukunftspläne des Konzerns referieren. sonicboom sprach mit ihm über die digitale Kommunikation eines Milliardenkonzerns.

Was bedeutet es, wenn Sie von Porsche sprechen?

Wenn wir in Österreich generell von Porsche sprechen, dann meinen wir die Porsche Holding in Salzburg. Wir als Porsche Holding sind in 29 Ländern aktiv, haben über 34.900 Mitarbeiter:innen und einen Umsatz von 25,8 Milliarden Euro. Das macht uns zum zweitgrößten Unternehmen in Österreich gemessen am Umsatz – gleich hinter der OMV. Wir sind im Groß- und Einzelhandel sowie im Bereich Finanzdienstleistung und IT tätig. Was das Markenportfolio betrifft, vereinen wir die zehn Kernmarken (Pkw und Nutzfahrzeuge) der Volkswagen AG unter einem Dach. Hinzu kommen u.a. noch Marken- und Tochtergesellschaften wie Moon Power, die Porsche Bank und die Porsche Informatik.

Dennoch kommt die Porsche Holding in der Kommunikation kaum vor. Die konzentriert sich auf die Marken. Was ist die Strategie dahinter?

Mit der Holding halten wir uns bewusst im Hintergrund, wir versuchen alle Kraft den Marken und ihren Produkten zu geben. Wenn es um die Jahrespressekonferenz mit den Ergebnissen oder um besondere Kommunikationsanlässe, wie einen Unternehmenskauf geht, dann ist die Porsche Holding als Dach wichtig. Als Vertriebsorganisation musst du aber in erster Linie die Produkte der Marken verkaufen und dafür die entsprechende PR machen.

Wie sieht diese PR aus?

Um eine Marke kommunikativ ideal zu betreuen, muss das in Absprache mit dem Marketing passieren. Man kann PR und Marketing nicht parallel, also ohne Schnittpunkte, betreiben. Es gilt, Synergien ideal nutzen. Das bedeutet, man braucht heutzutage eine integrierte Kommunikation, bei der man – beginnend von der internen und externen Kommunikation bis hin zum Sportsponsoring und Eventmanagement – alle Disziplinen unter einen Hut bringt. Das beste Marketing verpufft, wenn du keine PR hast. Und umgekehrt.

Das gilt auch für digitale Kommunikation?

Gerade bei den Sozialen Medien, auf denen es naturgemäß eine Verquickung von Vertrieb, Marketing und PR gibt, ist das besonders wichtig. Dort muss man aufpassen, nicht zu sehr mit der Marketing-Stimme zu sprechen, sonst wirst du unglaubwürdig. Die besten Marketing-Kampagnen sind die, die von einer PR-Kampagne unterstützt werden. Weil die meisten digitalen Kanäle und Kampagnen aber in der Hand der Marketing-Abteilung sind, muss man als PR heute verstärkt auf das Marketing zugehen.

Verleiht PR dem Marketing die Glaubwürdigkeit?

Die PR übermittelt die Fakten und die Gründe, das Marketing die Emotion und den letzten Glamour, den es braucht, um ein Produkt zu verkaufen. Beide Disziplinen ergänzen sich gut, wenn man dieses Zusammenspiel zu nutzen weiß. Wenn eine Marketing-Aktion startet, solltest du eine begleitende Presseaktivität machen, damit beides Hand in Hand geht. Das Gleiche gilt bei Social-Media-Kampagnen. Beides zahlt auf die Marke und das Produkt ein und was auf die Marke und das Produkt einzahlt, steigert das Image und was das Image steigert, weckt Begehrlichkeiten.

Die eine Art der Kommunikation gibt es bei der Porsche Holding nicht, weil die Marken zu unterschiedlich sind. Gibt es dennoch Gemeinsamkeiten?

Das ist schwierig. Für die gesamt Porsche Holding Salzburg gilt das Credo: ‚Bewegung ist unser Erfolg‘. Wir wollen Veränderungen, Entwicklungen und Herausforderungen annehmen. Stillstand ist Rückschritt. Bei den Marken muss man es gleichzeitig schaffen, die richtige Identität und Tonalität, das entsprechende Markenimage zu vermitteln. Das Wichtigste ist dabei, die Botschaft über alle Kanäle konsequent durchzuziehen.

Was sind aus Ihrer Sicht die Besonderheiten in der Kommunikation der Porsche Holding?

Das Besondere ist die große Bandbreite und unsere Mehrmarkenwelt. Einerseits bei den Medien, wo wir vom Auto- bis zum Lifestyle-Magazin alles bedienen und gleichzeitig sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich aktiv sind. Und das für jede erdenkliche Zielgruppe. Dazu kommt, dass das Thema ‚Auto‘ nicht nur das Produkt zeigt, sondern auch Fragen wie Nachhaltigkeit oder Diversität behandeln muss. All das musst du versuchen so fein zusammenzubringen, dass es Sinn ergibt und jede Zielgruppe bedient wird. Und da reden wir nur von der externen Kommunikation. Es ist aber genauso wichtig, diesen Ansatz bei der internen Kommunikation zu berücksichtigen. Wir wollen schließlich alle Mitarbeiter:innen erreichen, denn sie sind die besten Botschafter:innnen für das Unternehmen, die Marken und die Produkte.

Wie stark müssen Sie auf Vorkommnisse im deutschen Mutterkonzern reagieren und welche Möglichkeiten der Einflussnahme haben Sie?

Wir sind als Vertriebsorganisation stark davon abhängig, was der Mutterkonzern macht. Schließlich steckt hinter den Fahrzeugen ein Produktlebenszyklus, nach dem wir uns in der Kommunikation richten müssen. Bei den Marken streuen viele Themen aus Deutschland zu uns, die wir nicht steuern können – beispielsweise die Dieselthematik oder Fragen zum China-Engagement des Konzerns. Auch Geopolitik. Der Ukraine-Krieg hat in erster Linie viel menschliches Leid hervorgebracht. Aber auch Probleme in der Lieferkette und Verzögerungen bei den Auslieferungen. Das sind Themen, mit denen man sich auch als Vertriebsorganisation intensiv befassen muss. Wolfsburg gibt dabei die Richtung vor. Wir übernehmen die Kernbotschaften und bieten den Medien und der Öffentlichkeit konkrete Antworten und Lösungen an.

Wie sieht das in der Praxis aus? Habt ihr eine Standleitung nach Wolfsburg?

Das kommt darauf an. In Krisensituationen werden Krisenstäbe eingerichtet, die regelmäßig tagen und in denen wir ebenfalls vertreten sind. Im Ukraine-Krieg hat beispielsweise der Engpass in der Zulieferindustrie das Tagesgeschäft wesentlich beeinflusst. Darüber gibt es einen klaren Austausch mit dem Konzern und den einzelnen Märkten. Und sobald es konkrete Neuigkeiten oder Entwicklungen zu kommunizieren gibt, geht man damit raus an die relevanten Öffentlichkeiten. Ab dem Moment können wir auch die Kommunikation in Österreich bis zu einem gewissen Grad beeinflussen. Denn der Konzern kann nicht alle der 150 Märkte bedienen. Die Kommunikation muss vor Ort gesteuert werden.

Krisen sind also einkalkuliert.

Ja. Als Unternehmen muss man sich auf Krisensituationen vorbereiten, um im Ernstfall einen koordinierten Fahrplan zu haben. Das ist Basisarbeit, die man als Kommunikator machen muss. Es gibt beispielsweise Krisen-Manuals, in denen das einheitliche Vorgehen im Ernstfall geregelt ist. Das sind quasi unsere Leitplanken. Natürlich gibt es im Krisenfall auch einen intensiven Austausch innerhalb der Unternehmen sowie ein koordiniertes Vorgehen mit dem Volkswagen Konzern und seinen Fachbereichen.

Wie läuft bei euch die Krisenkommunikation ab?

Eine Krise passiert immer unerwartet und kommt nie maßgeschneidert daher. Wir haben deshalb Prozesse definiert, wie die Kommunikation in einer Krise ablaufen sollte. Beispielsweise bei einem Brand oder einem Hacker-Angriff. Das sind Fälle, auf die man sich vorbereiten und mit externen Partnern durchspielen kann. Deswegen tauschen wir uns auch mit sonicboom intensiv über Soziale Medien und deren Besonderheiten aus. Das Wichtigste in der Krise ist, dass es eine One Voice policy gibt. Es kann nichts Schlimmeres passieren als fünf Personen, die fünf verschiedene Statements abgeben.

Wie kommuniziert man Themen, die selbst innerhalb der Branche umstritten sind? Beispielsweise E-Fuels.

Bei den E-Fuels ist es relativ klar. Da haben wir als Vertriebsorganisation klare Positionen und Einschätzungen, die der Konzernposition folgen. Der Weg in die Zukunft ist im Automobilbereich elektrisch und E-Fuels sind als Komplementär zu sehen, welches helfen kann, den CO₂-Ausstoß zu reduzieren – beim Automobil ebenso wie in der Schiff- oder Luftfahrt. Technologieoffenheit sowie Lösungsorientiertheit sind hier Grundwerte. Das Ziel des Volkswagen Konzerns ist es, das Pariser Klimaabkommen und die damit verbundene bilanzielle CO₂-Neutralität zu erfüllen; dazu hat er einen klaren Fahrplan. Parallel versucht er aber auf diesem Weg keine sinnvollen Möglichkeiten auszuschließen, zugleich keine falschen Erwartungen zu suggerieren sowie keine gesellschaftlichen Gräben aufzureißen.

Was macht die Lage so kompliziert?

Wie gesagt: Der Weg in die Elektromobilität ist alternativlos. Die Krisen der letzten Jahre sind für den eingeschlagenen Transformationsweg nicht hilfreich – gerade die konjunkturelle Unsicherheit und die hohe Inflation schlagen hier stark durch. Der Verkauf von E-Autos stockt deshalb auch. Die Automobilindustrie muss runterskalieren, die Autos in kleineren Segmenten anbieten und zugleich für eine breite Masse preislich attraktiver machen. Parallel muss auch die Ladeinfrastruktur weiter ausgebaut und ein einheitliches Bezahl- und Abrechnungssystem geschaffen werden.

Wie kommuniziert man das?

Das geht nur mit aufklärender, sachlicher und beispielgebender Kommunikation. Uns Kommunikatoren kommt gerade in dieser Phase eine wichtige Rolle zu. Wir müssen die vielen positiven Vorteile der E-Mobilität in den Vordergrund der Diskussion rücken und Bedenken ausräumen. Dabei muss man politisch neutral sein. Gerade Deutschland und Österreich sind Paradebeispiele, weil hier die Zukunft der E-Mobilität und von E-Fuels sehr kontrovers diskutiert werden. Da ist Fingerspitzengefühl gefragt.

Die Automobilindustrie gilt als Technikvorreiter. Auch in der Kommunikation. Was kommt in naher Zukunft auf uns zu?

Die Kommunikation wird auf jeden Fall noch digitaler, breiter und komplexer, auch weil wir parallel die klassischen Kommunikationsformen wie Print oder TV bedienen müssen. Ein wichtiger Baustein darin ist unser Mehrmarken-Newsroom, der als zentraler Content-Hub für alle Zielgruppen offen zugänglich ist. Vielfältigster Content wie Presseaussendungen, Stories, Video oder auch Livestreams können auf einer Plattform geboten werden. Die Online-Kommunikation wird noch stärker zunehmen, die sozialen Medien noch mehr an Bedeutung gewinnen. Entsprechend wird es immer wichtiger, wie man die Kanäle treffsicher bedient.  Da spielt das Screening eine große Rolle. Und die Fragen: Was screene ich und welche Rückschlüsse ziehe ich aus den Daten? Nur, wenn man hier die richtigen Antworten findet und Maßnahmen setzt, wird man sichtbarer. Dabei wird auch KI eine Rolle spielen. Vielleicht aber eher im Hintergrund für die Aufbereitung und Positionierung der Formate und Beiträge.

Sie klingen nicht so euphorisch beim Thema KI wie viele Kollegen.

Es ist extrem beeindruckend, was KI schon alles kann. Aber alles basiert auf Informationen von Menschen. Deswegen kann eine KI den Menschen auch nicht ersetzen, wird sie doch vom Menschen gespeist. Sie ist aber ein Tool, das sich gut für den eigenen Vorteil nutzen lässt, was aber eine komplexe Herausforderung ist. Selbst wir als großes Unternehmen können uns die Fülle der Möglichkeiten, die KI uns bietet, nicht selbst erarbeiten. Dafür gibt es Spezialisten wie sonicboom, die einem das vermitteln.

Was sind denn die Herausforderungen?

Was KI und deren Einsatz im Tagesgeschäft betrifft, stehen wir erst am Anfang. Aber es bleibt beispielsweise abzuwarten, wie zukünftig die rechtlichen Rahmenbedingungen aussehen. Die müssen schließlich erst noch geschaffen werden. Theoretisch könnte es sich bei dem Output einer KI ja auch um Diebstahl von geistigem Eigentum handeln. Darüber hinaus lassen sich Stimmen, Bilder und Videos ändern, was wieder rechtliche und moralische Fragen aufwirft. Grundsätzlich muss man Technologien offen gegenüberstehen. In welcher Intensität wir das tun? Das wird sich noch zeigen.

 

HERMANN PRAX UND DIE PORSCHE HOLDING IM WEB: