Babetown: Julia Fodor und Katharina Hingsammer

sonicboom Space: Julia Fodor und Katharina Hingsammer von Babetown

von Christian Domke-Seidel

Von Freund:innen und Follower:innen: Die Babetown Gründerinnen Julia Fodor und Katharina Hingsammer im Interview

Julia Fodor und Katharina Hingsammer gehörten zu den ersten Influencerinnen in Österreich, die von ihrem Job auch leben konnten. Lange vor Instagram. Den digitalen Erfolg nutzen sie für eigene Geschäftsideen – wie das gemeinsame Unternehmen Babetown.

Julia Fodor und Katharina Hingsammer schaffen, wovon viele Marketingabteilungen nur träumen können. Sie verwandeln digitale Aufmerksamkeit in Umsatz. Und das nicht nur, weil sie als Influencerinnen arbeiten. Sondern auch, weil sie wissen, wie Follower:innen zu Kund:innen für die eigenen Geschäfte werden. Ein Gespräch über Gründungswillen, digitale Kommunikation und die Verantwortung gegenüber den Followern.

Was macht ihr denn gerade? Ihr habt hundert Dinge parallel laufen. 

Julia: Ich mache Babetown, den Nagelstudio Concept Store. Wir haben in Wien begonnen, dort ist unser Hauptstandort. Wir haben aber auch einen Onlineshop mit eigenen Produkten, die wir vertreiben. Seit einem Jahr haben wir auch einen kleinen Counter im KaDeWe in Berlin. Nebenbei bin ich auch Influencerin auf Instagram. Das macht Spaß und finanziert oft die anderen Projekte. Außerdem habe ich gemeinsam mit drei Geschäftspartnern direkt neben Babetown eine kleine Pizzeria mit 25 Plätzen. Zusätzlich arbeite ich gerade an der Eröffnung eines Reformer Pilates Studio. 

Katharina: Ich mache Babetown mit der Julia und bin nebenbei auch noch als Influencerin tätig. Andere Tätigkeiten habe ich nicht. Ich bin Mama, da reichen zwei Jobs. Babetown ist aber der Hauptberuf und mir auch das liebste. Inklusive Deutschland haben wir um die 25 Mitarbeiter:innen. 

Habt ihr damit auch angefangen?

Katharina: Das Offlinebusiness war für uns als Team das erste Geschäft. Aber Julia hatte vorher schon ein Sportstudio gemeinsam mit einem Partner in Wien aufgebaut. Dort hat sie sich dann zurückgezogen. Ich hatte vorher ein größeres Online-Business. Babetown war aber das erste Geschäft mit Verantwortung für Mitarbeiter:innen. Vorher waren wir selbstständig. 

Gab es einen Punkt an dem ihr gesagt habt, dass ihr mehr als ein Standbein braucht? Einen Aha-Moment?

Julia: Es war schon immer mein Anspruch, einen Schritt weiterzugehen. Wir gehörten in Österreich zu den ersten Influencer:innen, die das beruflich machen konnten. Mittlerweile haben auch andere Influencer:innen angefangen, eigene Marken zu kreieren. Hauptsächlich Kleidung oder Beauty. Ich habe mir damals schon gedacht, dass ich gerne etwas Eigenes hätte, um meine Reichweite zu nutzen, die ich mir jetzt in zehn Jahren aufgebaut habe. Aber etwas Richtiges, mit einem Standort, wo ich mich auch ein wenig zurückziehen kann aus dem Digitalen. Damit das eigene Gesicht nicht immer so präsent ist, sondern eher die Marke, die Mitarbeiter:innen und die Leistung für sich sprechen. 

Katharina: Wir sind da sehr stolz darauf. Einerseits hat Babetown von Anfang an sehr von der großen Online-Reichweite profitiert. Wir haben von Tag eins an mit einem Kundenstamm arbeiten können, für den andere Geschäfte Jahre brauchen, um ihn aufzubauen. Andererseits sind wir als Gesichter bei Babetown nirgends präsent. Weder auf dem Instagram-Kanal noch auf der Website sind wir die Zugpferde. Wir sind stolz darauf, dass bei Babetown einfach die Brand und die Leistung und die Qualität für sich sprechen. 

Influencer:innen haben die Werbewelt auf den Kopf gestellt. Früher musste man erst berühmt werden – als Modell, Moderator:in oder Sportler:in – und durfte dann Werbung machen. Influencer:innen werden durch die Werbung berühmt. Wie schafft man das? 

Katharina: Mein Werdegang ist ja ein bisschen anders. Wenn wir jetzt starten würden, würde es uns um einiges schwerer fallen. Wir waren eben die ersten in Österreich, die wirklich  die Branche aufgebaut haben. Damals gab es noch keine Influencer:innen, sondern Blogger:innen. Wir haben mit Seiten gestartet, auf denen wir Beiträge veröffentlicht haben. Damals hat noch kein Mensch darüber gesprochen, mit so etwas Geld zu verdienen. Wir haben es gemacht, aus Freude an den Inhalten. Wir haben redaktionelle Inhalte gehabt, mit wirklich hochwertigen Fotos. Julia zu den Themen Sport und Gesundheit. Ich – mit einer anderen Partnerin – zu Lifestyle-Themen, Reisen, Mode und Home. So ist unser Wachstum gekommen. Und irgendwann Instagram. Dann kam das Werbethema auf. Wir haben also nicht als Werbefiguren gestartet, sondern aus einem redaktionellen Hintergrund heraus. 

Die Szene hat sich seitdem gewandelt und die Arbeit von Influencer:innen ist in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Mit all den Diskussionen. Über nicht gekennzeichnete Werbung, über psychologische Auswirkungen auf Jugendliche, über Greenwashing. Habt ihr das untereinander besprochen? Sind das Themen, mit denen ihr euch beschäftigt?

Julia: Nein, eigentlich nicht. Es gibt Influencer:innen, die kann man meiner Meinung nach kritisieren, weil sie Unternehmen aus rein wirtschaftlichen Gründen bewerben. Produkte, die sie selbst nicht mal in der Hand hatten. Ich bin sehr authentisch und poste nur, was ich tatsächlich meiner besten Freundin weiterempfehlen würde. Und das ist die beste Form von Marketing. Jeder, der das kritisiert, der versteht es noch nicht so wirklich. Aber natürlich gibt es schwarze Schafe, wie in jeder Branche.

Zum Verantwortungsgefühl gegenüber Jugendlichen muss ich sagen, dass unsere Zielgruppe auf Instagram eher älter ist. Ich habe aber ein Verantwortungsgefühl meinen Freundinnen gegenüber, die mir folgen, denen ich Produkte empfehle, die sie dann auch kaufen. Selbst meine Mutter kauft die Dinge, die ich auf Instagram poste. Entsprechend möchte ich keinen Blödsinn präsentieren. Dennoch denke ich, dass ich jeder sein eigener Herr ist. Wenn ihm mein Inhalt nicht guttut ,sind wir nicht dafür verantwortlich, sondern sie selbst. 

Katharina: Ich finde, es macht keinen Unterschied, ob ich jetzt einfach nur das herzeige, was ich sowieso tun würde, auch als Konsumentin, oder ob ich es nur mache, um Geld zu verdienen. Wir versuchen einfach, zu zeigen, wie wir sowieso leben und was wir tun. Und wenn das Produkt dazu passt, dann ist Werbung dafür in Ordnung. Aber ich hinterfrage jetzt nicht bei jedem einzelnen Unternehmen bis zum letzten Detail den ökologischen Fußabdruck. Weil ich das als Konsument:in auch nicht tun würde. Ich sage zwischen einer und sechs Kooperationsanfragen jeden Tag ab, die nicht zu mir als Mensch passen.

Wie geht ihr denn mit Hass, Neid, Sexismus oder grundsätzlich toxischer Atmosphäre um? Habt ihr diese Probleme?

Julia: Große Probleme haben wir nicht. Weil Kathy und ich uns bewusst ein bisschen zurücknehmen und nicht zu persönlich oder politisch sind. Themen, die wirklich angreifbar machen, behandeln wir gar nicht. Ich habe früher über Ernährung, Sport und Diäten geschrieben. Da gab es viel Angriffsfläche. Also habe ich mich bewusst ein bisschen zurückgezogen. Kurz vor dem letzten Lockdown mussten wir unseren Follower:innen erklären, dass jetzt der nächste Lockdown ansteht und dass wir mit unserem Geschäft gefährdet sind. Da gab es Angriffe. Weil die Leute gesagt haben: “Ja, aber schaut euch eure Wohnungen an, wie ihr lebt, es kann nicht sein, dass ihr hier um Geld bettelt.“ 

Katharina: Früher habe ich mir jede Kritik sehr zu Herzen genommen. Die hat bei mir auch nachgewirkt. Teilweise habe ich eine Woche darüber nachgedacht. Auch, wenn es nur ein einziger Kommentar war. Gegenüber vieler positiver Nachrichten. Heute kann ich das ein bisschen besser einfach weghalten. Wenn es unter die Gürtellinie geht, blockiere ich die Person sofort. Früher bin ich oft in den Dialog gegangen und wollte meinen Standpunkt argumentieren. Das mache ich nicht mehr, weil das zu viel Energie raubt. 

Habt ihr euch den Umgang mit dieser Art von Kommentaren selbst erarbeitet? 

Julia: Da sind wir Hineingewachsen. Niemand hat uns da helfen können. 

Katharina: Eine gute Freundin hat für ein sehr großes Model-Unternehmen in der PR gearbeitet. Die mussten sich mit sehr vielen Hass-Nachrichten auseinandersetzen. Von ihr habe ich gelernt: Kill them with kindness. Der Spruch ist wirklich bei mir hängengeblieben. Weil ich früher sehr schnell selbst in den Angriff übergegangen bin und zurückgeschossen habe, wenn entsprechende Kommentare kamen. Das machen wir beide überhaupt nicht mehr. Wir antworten mit so viel positiver Energie wie möglich. Das nimmt den meisten Leuten den Wind aus den Segeln. 

Es ist ein großes Zeichen von Durchhaltewillen, dass ihr nicht an irgendeinem Punkt gesagt habt, “Das ist mir zu viel, ich mache jetzt etwas anderes.” Gerade, wenn du vorher im Bereich Sport und Ernährung warst. 

Julia: Wenn ich in dieser Nische geblieben wäre oder mehr von meinem Leben teilen würde, könnte ich auf Instagram erfolgreicher sein. Aber ich habe mich bewusst zurückgezogen. Ich möchte nicht so viel Angriffsfläche bieten und persönliche Details preisgeben. Ich will auch nicht die Meinung fremder Leute zu meinem Leben kennen. Egal ob positiv oder negativ. 

Katharina: Manche Mädels teilen wirklich alles von ihrem Leben und machen das auch supercool und interessant. Deren Kanäle werden dann wirklich so konsumiert wie früher Fernsehen. Wenn die das authentisch machen, ist das auch cool und inspirierend. Julia hat sich mittlerweile als Business-Influencer:in einen Job aufgebaut. Auch durch die vielen Unternehmen. Bei mir ist jetzt im Vordergrund, wie ich als berufstätige Mama agiere. Wir versuchen jetzt also eher in anderen Nischen reinzukommen. 

Habt ihr denn eine Art Plan für irgendwelche Notfälle? Ein Böhmermann-Beitrag über einen Kooperationspartner oder ein tödlicher Brand in einem Sweat Shop. Wie würdet ihr darauf reagieren?

Katharina: Das Einzige, was wir immer machen, ist, so ehrlich wie möglich zu sein. Auch, wenn wir Fehler machen würden, wie mit einer falschen Marke zusammenzuarbeiten, würden wir nicht versuchen, irgendetwas schönzureden. Sondern ehrlich und authentisch sagen, dass etwas schiefgelaufen ist. Wir hatten zum Glück den Fall noch nicht und haben auch keinen Notfallplan dafür. Weil wir eben keine trainierten Medienunternehmerinnen sind. Sondern echte Menschen. 

Julia: Wir haben in den letzten drei Jahren seit Eröffnung sehr viele Notfälle gehabt. Wir haben vier Monate vor dem ersten Lockdown unseren Laden eröffnet. 

Seht ihr euch als Trendsetter:innen? 

Julia: Wir sind zu alt. Wir sind einfach Blogger:innen der ersten Generation, die sich irgendwann entschieden haben, den Fokus zu ändern. Deswegen sind wir bei sowas nicht mehr dabei und können auch nicht mehr mithalten. Da gibt es andere Influencer:innen, mit denen man ein Interview führen kann. 

Katharina: Ich glaube, wir waren auf jeden Fall mit Trendsetter:innen. Gerade in Österreich. Wir haben sogar Vorträge gehalten zu den Themen. Wir hatten so eine Art Social Academy und haben versucht, junge Blogger:innen zu unterstützen. Das haben wir gemacht, bis Instagram groß wurde. Wir sind nicht gewillt, uns jetzt auf einer anderen Plattform zu bemühen. TikTok oder BeReal beispielsweise. Instagram wird es nicht mehr so lange in dieser Form geben. Man sieht das ja an Facebook – die Plattform ist in unserer Generation quasi tot. 

Julia: Meine Mama ist jetzt sechzig, die ist jetzt seit drei Jahren auf Facebook. Da ist jetzt einfach ein Wechsel gekommen. Und den sieht man jetzt auch auf Instagram. Unsere Follower:innen werden älter. Die sind jetzt über dreißig, teilweise Anfang vierzig. Unsere Mitarbeiter:innen interessieren sich kaum noch für Instagram, sind dafür aber auf TikTok. 

Müsst ihr überlegen, wie ihr Kund:innen in der Stadt und auf dem Land gleichermaßen ansprecht? Spielen klassische Kriterien, nach denen Menschen im Marketing eingeteilt werden – wie Geschlecht, Alter, Wohnort  – überhaupt eine Rolle?

Katharina: In der Produktüberlegung nicht. Eher im Gegenteil. Wir haben den Onlineshop gestartet, mit der Intention, alle zu erreichen. Wenn sie uns auf Instagram folgen ist es egal, ob sie auf dem Land oder in der Stadt leben. Diejenigen, die auf dem Land leben, haben aber nicht die Möglichkeit, zu Babetown zu kommen. Damit sie die Experience trotzdem haben, gibt es den Onlineshop. Ich würde sagen, wir sprechen jede Zielgruppe an, die Interesse an Lifestyle hat. 

Was würdet ihr anderen Menschen, die euch im digitalen Bereich nacheifern wollen, empfehlen? 

Julia: Das Wichtigste ist, wenn man jetzt anfangen will, extrem authentisch zu sein und sich eine Nische zu suchen. Irgendwo ist immer Platz. Und wir sehen viele, die gerade erst angefangen und wenige Follower:innen haben und plötzlich einen extremen Wachstumsschub kriegen. 

Katharina: Aus unternehmerischer Sicht würde ich sagen, wenn ich jetzt ein Unternehmen habe und digital erfolgreich sein will, ist Durchhaltevermögen extrem wichtig. Man muss Zeit und Recherche investieren, um qualitativ hochwertigen Content zu produzieren. Dann muss man dranbleiben und darf nicht davon ausgehen, dass sich innerhalb von einem Monat etwas tut. Gerade als Unternehmen ist es noch viel schwieriger als Privatperson. 

Und was ist der nächste Schritt in eurer Karriere?

Julia: Mein Ideal-Szenario ist es, online zurückzufahren und mich noch mehr rauszunehmen. Um selbst nicht mehr als Werbeplattform agieren zu müssen. Mein Ziel ist es, meinen beruflichen Fokus eher auf Offline-Themen zu verlagern. 

Katharina: Wenn Julia ihr Pilates-Studio eröffnet, ist es natürlich ein Vorteil, eine Community auf Instagram zu haben. Wie schon bei Babetown oder der Pizzeria lässt sich der Prozess von einer Store-Eröffnung super begleiten über Social Media.

Julia: Genau. Das ist immer authentischer Content. Das ist nicht der Content, für den ich von einer Marke bezahlt werde. Ich will als Unternehmerin respektiert werden und nicht als Influencerin. 

Katharina: Für mich passt es dann, wenn es mir Spaß macht. Ich bin froh, dass ich Privatsachen teilen kann und nur einen kleinen beruflichen Teil auf Instagram habe. So werde ich es einfach belassen. Bei mir ist jetzt nichts geplant, wo ich den Fokus ändern oder besonders viel Energie reinstecken müsste. Ich werde das einfach so weiterlaufen lassen wie es jetzt ist und solange es mir Spaß macht. Das ist der Plan.

BABETOWN, JULIA FODOR UND KATHARINA HINGSAMMER IM WEB: