Arijana Sultanovic im sonicboom Space

sonicboom Space: Arijana Sultanovic im Interview

von Christian Domke-Seidel

ERGO: Digitalisierung als sichere Sache

Die Versicherungsbranche gilt als traditionsreich und eher schwerfällig. Doch bei der Digitalisierung zeigt sie, zu welchen Änderungen sie bereit ist. Ein Interview mit Arijana Sultanovic, Leiterin der Digital Experience bei ERGO.

Viel Papierkram, langsame Reaktion, bürokratische Wege in riesigen Institutionen. Versicherungen schlagen oftmals nicht gerade schmeichelnde Vorurteile entgegen. Doch im Rahmen der immer umfangreicheren Digitalisierung zeigten viele Anbieter, welche Innovationskraft in ihnen steckt. Und welcher Wille zur Veränderung. ERGO ist so ein Positivbeispiel. sonicboom Space sprach über diesen Wandel mit Arijana Sultanovic. Sie ist Leitern der Digital Experience bei ERGO. Im Interview geht es unter anderem darum, wie die Konkurrenz zwischen Onlineshop und Außendienst aufgelöst werden kann und wo die Grenzen der Digitalisierung im Versicherungsbereich sind.

 

Fr. Sultanovic, Sie sind Leiterin Digital Experience bei ERGO. Was verbirgt sich hinter der Beschreibung?

Wir sind hier ein relativ kleines Team, ich habe zwei Mitarbeiterinnen. Wobei der Bereich bald wachsen wird, weil das digitale Thema wichtig ist. Wir betreuen unsere Webseite, das ist der Hauptkanal. Damit ist auch die Suchmaschinenoptimierung verbunden. Bei ERGO ist es so, dass die digitalen Themen aufgeteilt sind. SEA liegt in einem anderen Bereich, genauso wie Social Media. Es ist deswegen sehr wichtig, dass wir vernetzt arbeiten. Fast alle digitalen Projekte laufen in einer Form über meinen Tisch, oder wir sind involviert.

Was ist ein aktuelles Projekt, an dem Sie arbeiten?

Wir wollen gerade den Außendienst im digitalen Bereich verstärken. Das heißt, dass wir den Außendienst unterstützen, damit diese Mitarbeiter im Onlinebereich zu finden sind. Einerseits in den Google-Infoboxen, andererseits auf unserer Webseite. Das hat viel mit der User-Experience zu tun.

An wen richtet sich diese Arbeit?

Die Zielgruppe sind zum einen bereits bestehende Kunden und zum anderen diejenigen, die noch keine Kunden sind. Diese Menschen wollen Kontakt mit einem der Berater aufnehmen, weil sie Interesse an einem der Produkte haben und gerne einen persönlichen Kontakt hätten.

Die Berater und der persönliche Kontakt spielen trotz der Digitalisierung eine große Rolle?

In der Versicherungsbranche ist es so, dass die Leute noch immer gerne per E-Mail oder Telefon kontaktiert werden. Die Beratersuche auf der Seite erleichtert es ihnen, ihre gewünschten Kommunikationskanäle zur Verfügung zu haben. In manchen Bereichen wäre ERGO digital viel weiter, als es der Kunde sich wünscht und annehmen möchte.

Wie digital ist denn ERGO?

Wir sind grundsätzlich weiter, als es die Kunden derzeit noch nutzen. Aber einige Projekte haben wir noch in der Pipeline. Im Vergleich zu einem IT-Konzern sind wir in der Digitalisierung vielleicht noch nicht weit, im Vergleich zu den Mitbewerbern haben wir aber einige Vorteile.

Wie digitalisiert man ein ebenso großes wie traditionsreiches Unternehmen wie ERGO?

Einerseits haben wir die Unterstützung vom Mutterkonzern. In Deutschland wird zu dem Thema viel geforscht und in den Abteilungen getestet. Das, was funktioniert, wird dann ausgerollt. Andererseits schauen wir uns auch selbst an, was es auf dem Markt gibt, wenn es um den Seitenaufbau oder SEO geht. Da schaue ich mich auch außerhalb der Mitbewerber um, um zu sehen, was gut funktioniert und auch in unserer Branche einsetzbar wäre. Es öffnen sich einem mehr Möglichkeiten, wenn man nicht nur im eigenen Pool schwimmt.

Wie haben sich durch die Digitalisierung die Prozesse in der Versicherung geändert?

Ein wichtiges Beispiel ist der Onlineshop. Der funktioniert in der Versicherungsbranche natürlich anders als bei Zalando, aber er hat den Vertrieb natürlich auf den Kopf gestellt. Es kam ein neuer Kanal hinzu, der Auswirkungen auf andere Vertriebswege hatte. Damit musste man lernen, umzugehen. Das hat dazu geführt, dass wir uns – wie schon erwähnt – überlegen müssen, wie man die Berater digital unterstützen kann.

Wie bringt man diese zwei konkurrierenden Vertriebswege zusammen?

Die Frage ist, wie man das Thema betrachtet – eher als Gegenpole oder als Erweiterung? Und das ist in jeder Branche so. Ein Verkäufer im H&M sieht den Onlineshop auch nicht als Konkurrenz. Es sind zwei Aspekte, die den Verkauf fördern und die zusammenarbeiten müssen. Gewinnt man durch den Onlineshop einen Kunden, heißt das nicht, dass man diese Person dem Berater im Außenbereich weggenommen hat. Weil es vielleicht eine Zielgruppe ist, die man eben nur online erreicht. Das gilt umgekehrt aber auch. Jeder Außendienst-Mitarbeitende hat seine Zielgruppe, die er kennt, die durch Mundpropaganda wächst und zu der er eine starke Bindung hat. Es ist eine Ergänzung – den Kampf online gegen offline gibt es hier nicht.

Die Berater werden also nicht ersetzt.

Nein, das würde eine Kannibalisierung voraussetzen. Wir bringen deswegen bei der Beratersuche das Persönliche mit rein, indem wir Bilder und direkte Kontaktinformationen hinterlegen. Wir sind auch gerade dabei, das Kontaktformular anzupassen, damit die Kunden beim Ausfüllen schon eine Auswahl haben. Die Sprache ist dabei ein wichtiger Aspekt, weil es vielleicht Kunden gibt, die nicht so verhandlungssicher Deutsch sprechen. Das sind so kleine persönliche Aspekte, die wir mit einbeziehen wollen.

Was erwartet Kunden, die auf Ihre Seite kommen? Was sind Punkte, die Sie bei der Digitalisierung beachten müssen?

Wir sind sehr stark auf die User-Experience fokussiert, auch im Mobile-Bereich. Aber das ist natürlich nichts versicherungsspezifisches. Je besser sich ein Kunde auf der Seite zurechtfindet, desto länger bleibt er. Der zweite Punkt ist, dass wir nicht zu ‚pushy‘ sein dürfen. Dass wir also den Usern nicht zwanghaft versuchen, neue Versicherungen zu verkaufen. Es dürfen nicht überall Werbebanner und Angebote rumflackern. Man muss mehr Wert auf Qualität statt Quantität legen, sonst hätte man schnell einen schlechten Ruf. Der dritte Punkt ist natürlich der Fokus auf den SEO-Bereich. Es geht darum, dem Kunden die Informationen bereitzustellen, die er sucht. Und zwar dort, wo er sie sucht. Dabei geht es nicht nur um Produkte, sondern um allgemeine Informationen rund um das Thema Versicherungen.

Wo sehen Sie denn die Grenzen der Digitalisierung?

Bei ERGO haben wir uns keine Grenze gesetzt – ganz im Gegenteil. Wir befürworten das Thema sehr, achten aber auf bestimmte Themen. Eines davon ist der Datenschutz. Wenn es um Prozessveränderungen, Erweiterungen oder auch digitale Projekte geht, achten wir sehr streng darauf, dass alles rechtskonform und sicher ist. Es darf zu keinen Schäden für den Kunden kommen.

Wenn Sie so offen mit der Digitalisierung umgehen, sind auch neue Technologien immer ein Thema. Das waren mal Apps, jetzt ist es das Thema Künstliche Intelligenz. Wie gehen Sie mit neuen Trends um?

Es gibt Abteilungen, darunter auch wir, die sich mit neuen Themen beschäftigen und versuchen, am Ball zu bleiben. Anders geht es nicht, das gehört einfach zur digitalen Welt, ist geschäftsförderlich und auch für die Kultur im Unternehmen sehr wichtig. Wir arbeiten da an verschiedenen Eckpunkten. Zum einen geht es darum, den Mitarbeitern eine Art Aufklärung zu geben. Zum anderen, sie dabei zu unterstützen, damit sie Änderungen offen gegenüberstehen. Es geht nicht darum, dass einzelne Sachen digitalisiert werden, weil es einzelne Personen wollen, sondern dass solche Projekte ganzheitlich gedacht und auch gelebt werden.

Was ist denn etwas, das ERGO digital auszeichnet?

Das ist sicher unsere Serviceleistung. An allen Touchpoints, die wir haben, liefern wir den Kunden die Leistungen, die sie sich erhofft haben und auch erwarten. Wir versuchen, alle Prozesse so weit wie möglich zu vereinfachen. Auch, wenn das manchmal nach außen nicht sichtbar ist.

Was sind in diesem Bereich low-hanging fruits?

Leicht umzusetzen sind Google-Infoboxen, das SEO bei YouTube und die Aufstellung bei LinkedIn. Es geht dabei um die Vernetzung verschiedener Plattformen und Foren mit der eigenen Webseite. Dieser Vernetzung wird häufig unterschätzt. Das Gleiche gilt für das Community Management. Wenn man Videos und Bilder mit suchmaschinenoptimierten Texten ausstattet, die Daten strukturiert und auf die Anregungen der User eingeht, lassen sich große Erfolge erzielen.

Was haben Sie denn gelernt in Ihrer Zeit bei ERGO?

Ich komme aus einer anderen Branche. Deswegen war mir vorher nicht bewusst, was für strenge Regulierungen und Rechtsvorschriften es in der Versicherungsbranche gibt – gerade beim Datenschutz. Als Außenstehendem ist einem gar nicht klar, wie streng alles kontrolliert wird, damit es zum Vorteil der Kunden abläuft.

Was raten Sie denn Kolleginnen, die einen ähnlichen Job machen wollen?

Mein Tipp ist, die Augen offenzuhalten, was andere Unternehmen machen. Damit meine ich nicht die Mitbewerber, sondern andere Branchen. Was läuft gut? Welche Fehler haben Sie gemacht? Und daraus lernen. Zusätzlich ist es wichtig, sich Informationen von Expertinnen und Experten zu holen. Im digitalen Bereich kommt man nicht drumherum, sich laufend weiterzubilden und Wissen zu sammeln. Ein letzter Tipp ist, sich Fehler einzugestehen, wenn etwas vom User nicht angenommen wird.

 

ERGO und Arijana Sultanovic im WEB: