Ein Shitstorm kommt so schnell, wie er wieder geht. Aber im Netz abrufbar bleibt er für immer. Zeit, den richtigen Umgang damit zu lernen.
Richtig genutzt, kann das Internet als Seismograf dienen. Einer, der die Stimmung rund um ein Unternehmen misst und erste leichte Vibrationen aufspürt. Wenn sich beispielsweise schlechte Google-Bewertungen von Accounts ohne Bild häufen. Oder ambivalente Kommentare auf LinkedIn. Dann droht ein PR-Beben. „Kritiken, Krisen und Shitstorms kann man nicht unterbinden, aber man kann sich vorbereiten“, gibt sich Max Schwinghammer konstruktiv. Er ist geschäftsführender Gesellschafter bei sonicboom und führte durch den Workshop „Shitstorm – Kritik – Krise in Online- & Social Media-Kanälen“.
Ein Shitstorm lässt sich nicht verhindern
Optimismus ist aber auch angebracht. Denn so unangenehm eine solche Krise sein kann: Noch nie ist ein Unternehmen wegen eines Shitstorms pleite gegangen. Im Gegenteil. Richtig behandelt, könne ein Shitstorm eine Chance sein, so Schwinghammer. „Da sind Kritiken dabei, die mein Unternehmen besser machen, wenn ich den Diskurs suche und nachfrage.“
Einen Shitstorm gänzlich zu verhindern, sei unmöglich. Dafür ist das Internet zu agil und bietet Nutzer:innen eine zu große Viralität. Mit wenigen WhatsApp- oder Telegramm-Nachrichten lassen sich Botschaften ungeahnt weit verbreiten. Globale Unternehmen gehen mit einer Beschwerde in Österreich ins Bett, wachen aber mit einem Shitstorm, der sich über Nacht in den USA zusammengebraut hat, wieder auf.
Die Gründe dafür können unterschiedliche sein. Vielleicht hat das betroffene Unternehmen generell ein schlechtes Image. Oder aber es gibt Probleme mit dem Produkt. Vielleicht hat auch nur eine (repräsentative) Person etwas Unbesonnenes getan. In Zeiten von Influencer:innen, AI Bots und Schwarmaktionen reichen Kleinigkeiten.
Umgang mit möglichen Shitstorms
Das Bewusstsein, dass es ohnehin jederzeit zu einem Shitstorm kommen kann, gibt Unternehmen die Freiheit, ehrlich und authentisch zu sein. Es muss nichts getan werden, um einem Trend zu folgen. Es sollte so kommuniziert werden, dass es zur Realität und zum Kommunikationsziel passt. Wichtig ist nur, diese Entscheidungen nicht nur zu fällen, sondern sie auch bis zum Ende durchzudenken.
Und auch, wenn sich ein Shitstorm nicht verhindern lässt, lässt sich aus einem Sturm vielleicht ein mildes Lüftchen machen. Werden Kritikpunkte rechtzeitig entdeckt und gezielt angesprochen, werden aus Kritiker:innen plötzlich Fans. Zu Recht. Denn dann hat das Unternehmen seine Kund:innen und ihre Wünsche ernst genommen. Die Herausforderung ist oft, diese Kritik zu finden.
Einerseits scheitern moderne Anwendungen daran, soziale Medien analysieren zu können. Auch deswegen, weil sich viele davon – WhatsApp, Discord, Telegram – der Analyse entziehen. Andererseits fehlt es vielen Unternehmen aber auch an den Ressourcen, solche Kanäle persönlich zu betreuen. Beispielsweise durch Community-Manager:innen, die LinkedIn beobachten oder auf Reddit und Discord unterwegs sind.
Vorbeugen und Reagieren
Ein Anfang wäre aber genau diese Beobachtung. Denn die Probleme wiederholen sich. Wer die sozialen Kanäle im Auge hat, könnte eine simple Excel-Tabelle erstellen, in der die Kritikpunkte und die Reaktion darauf festgehalten sind. Mit der Kommunikationsabteilung und der Geschäftsleitung könnte einmalig festgelegt werden, wie darauf reagiert wird. Wiederholen sich die Vorwürfe, gibt es schon ein Handbuch für die Mitarbeiter:innen.
Denn das Krisenmanagement für so eine Situation muss systematisiert werden. Wilde und panische Reaktionen verschärfen das Problem nur. Und zweitens: „Krisen in digitalen Kanälen sind nicht die Aufgabe der Social-Media-Abteilung. Das ist ein Thema für die gesamte Kommunikation und die Geschäftsleitung“, fordert Sedat Dermici, zweiter geschäftsführender Gesellschafter bei sonicboom, im Workshop.
Und weiter: „Die Social-Media-Redakteur:in ist nicht die Stimme nach außen in der Krise. Das muss eine Repräsentant:in des Unternehmens sein. Eine Krise ist kanalübergreifend.“ Diese Kommunikationswege müssen aber schon vor der Krise geklärt sein. Denn wenn der Shitstorm kommt, müssen Firmen schnell reagieren können und nicht erst zwei Tage später.
Mit der Geschäftsführung im Rücken kann die Kommunikationsabteilung ein Statement verfassen, das sich mit den Vorwürfen beschäftigt. Wer auf jeden Tweet oder Kommentar antwortet und sich rechtfertigt, füttert nur die Trolle. Eine elegante Lösung könnte sogar sein, eine eigene Landingpage einzurichten, die auf die Vorwürfe eingeht. Denn die werden sowieso immer im Netz zu finden sein. So sind sie direkt mit der entsprechenden Antwort verknüpft.
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum
Zwischen schneller Empörung und hoher Sichtbarkeit gilt aber dennoch, dass sich auch Unternehmen nicht alles gefallen lassen müssen. So toxisch das Internet an vielen Stellen auch sein mag, es ist kein rechtsfreier Raum. Plattformen dürfen nicht jeden Kommentar, Post oder Tweet stehen lassen. Die Betreiber:innen haben die Pflicht, zu löschen. Dafür müssen sie aber auf entsprechende Nachrichten aufmerksam gemacht werden. So ist beispielsweise eine Meldung nach dem KoPI-G (Kommunikationsplattform-Gesetz) denkbar. Sollte das nicht reichen, können sich Betroffene an die Beschwerdestelle RTR richten. Für die Plattformen wird eine Zuwiderhandlung dann teuer.
Ein solches Vorgehen macht aber auch klar, dass es gefährlich sein kann, seine Kommunikation auszulagern. Denn viele Agenturen lassen Online-Kampagnen auf Autopilot fahren. Mitten in der größten Krise erscheinen dann banale Werbebotschaften, die eher kontraproduktiv sind.
Umgang mit Shitstorm für jedermann
Mit dem Workshop „Digitale Krisenkommunikation“ gibt sonicboom einen Einblick in den Umgang mit Krisen in der digitalen Kommunikation und erklärt anhand von Beispielen in der Praxis auch alle Stufen des Prozesses. Über den Kurs hinaus berät sonicboom interessierte Unternehmen auch individuell.