Künstliche Intelligenz: Raus aus dem Denkfehler

Künstliche Intelligenz: Raus aus der Denkfaulheit

von sonic

Die Künstliche Intelligenz hat uns diverse Elefanten in den Raum gestellt. Wir weigern uns aber, über sie zu sprechen. Bis jetzt.

Wir User sind es gewohnt, klüger zu sein als unsere Technik. Mit hochgekrempelten Ärmeln schwärmen wir auf Tinder und lärmen auf Twitter. Was nicht passt, wird deinstalliert. Denn schließlich sitzen wir am Steuer und surfen und swipen dorthin, wo der digitale Wind uns trägt. Usability ist letztlich auch der Versuch, genau dieses Gefühl der Freiheit aufkommen zu lassen – ob es nun stimmt oder nicht. Mit dem Siegeszug der Künstlichen Intelligenz (KI) in der breiten Öffentlichkeit (und nicht mehr nur im Backend von Nischenanwendungen) ist es mit dem Gefühl der Klug- und Überlegenheit vorbei. Diese Disruption zwingt uns aus unserer Komfortzone heraus und das ist auch gut so.

Künstliche Intelligenz dreht den Swag auf

Zunächst haben alle gestaunt und gelacht. Donald Trump ringt in Handschellen mit der Polizei und Papst Franziskus dreht im weißen Puff-Mantel den Swag auf. Eine KI hatte die Bilder mithilfe ausgefeilter Prompts – also Arbeitsaufträge der User – täuschend echt erstellt. Noch größer als die Erheiterung war die Empörung. User würden in Zukunft nicht mehr wissen, was noch echt ist und was nicht. Stimmt.

Es zeugt aber von wenig Medienverständnis, zu glauben, es vor dem Siegeszug der KI gewusst zu haben. Troll-Armeen haben zuvor schon Wahlen manipuliert und den demokratischen Diskurs verschoben. Billige Memes, die durch WhatsApp und Telegram geistern, beeinflussen die politische Willensbildung von Millionen Wahlberechtigten. Einfache Lügen erhalten schon immer den Vorzug vor unbequemen Wahrheiten.

Dieser Trend kam nicht erst mit der KI auf. Photoshop löste eine ähnliche Debatte aus, genauso wie die Wahl des Bildausschnitts bei Berichterstattungen. Schon Maler optimierten für Ölgemälde den BMI und die Reitkünste der abgebildeten Regenten. An dieser Stelle darf auch angezweifelt werden, ob unsere Vorfahren so gute Jäger waren, wie es Höhlenmalereien darstellen.

Die Künstliche Intelligenz als Feind der Wahrheit auszumachen, greift dabei zu kurz. Vielmehr geht es um die komplexe Frage, ob wir es uns mit unserem bisherigen Medienkonsum nicht zu leicht machen. Wer schnell mal in der U-Bahn ein Dutzend Überschriften mit Symbolfoto abcheckt und ein paar Trends und Hashtags durchscrollt, erfasst Themen nicht ganzheitlich und entfernt sich eher von einer fundierten Meinung.

Die unkreativen Roboter sind wir selbst

Die Furcht vor der KI beschränkt sich nicht nur auf Bilder. Denn die neue Technologie kann Fakten wiedergeben und sie sogar zu sinnhaften Texten kombinieren. Mehr noch. Sie kann Abiturprüfungen bestehen und Studiengänge erfolgreich absolvieren. Reflexhaft fordern daher diverse Experten, der Einsatz möge verboten werden, weil sie nicht mehr wüssten, ob die Leistung von einer Maschine oder einem Schüler erbracht wurde.

Um zu beweisen, dass eine KI einen Text erstellt hat, muss der Kontrolleur den Text übrigens von einer KI kontrollieren lassen. Entgegen den Versprechungen der Programmierer kann das eine KI allerdings nicht leisten. Die Anwendung kontrolliert bestimmte Parameter – unter anderem Textstruktur, Komplexität, Sprache – mehr nicht. Hat eine KI einen Text erstellt, erkennt das eine Gegen-KI. Das reicht aber nicht. Denn was die KI nicht erkennt ist, ob der Text von einem Menschen stammt, der sich an strenge Vorgaben gehalten hat oder eben eine eher sachliche Schreibart hat. Die Programme ordnen beinahe alle suchmaschinenoptimierten Texte oder wissenschaftlichen Abhandlungen einer KI zu.

Deswegen ist die Idee eines KI-Verbots nur auf den ersten Blick nachvollziehbar. Beim genaueren Hinsehen offenbart sie aber die Furcht davor, sich mit dem Status quo auseinandersetzen zu müssen. Wenn eine Maschine Texte so schreiben kann, dass sie nicht mehr von menschengemachten Werken unterschieden werden kann, darf die erste Lösung nicht sein, die Maschinen zu verbieten. Die Frage muss sein, warum wir Menschen jahrzehntelang so unterrichtet wurden, dass ein lyrisch leidlich begabter Roboter ohne jede Kreativität die Anforderungen genauso erfüllen kann.

Ein KI-Verbot – ja nur dessen Forderung – täuscht über das Problem hinweg, dass unsere eigenen Leistungen, die wir nach zwei Jahrzehnten Unterricht abliefern (Uni inklusive), mit „lyrisch leidlich begabter Roboter ohne jede Kreativität“ passend beschrieben sind. In erster Linie sollten die Ziele und Inhalte unseres Bildungssystems zur Diskussion stehen. Anschließend kann die Debatte über die Nutzung neuer Technologien folgen.

Raus aus dem digitalen Prekariat

Natürlich ist die Skepsis vor der KI groß. Menschen haben gesehen, wie die Algorithmen von Mjam oder Uber eine ganze Generation ins digitale Prekariat gerissen hat. Manche applaudierten noch dabei, weil ihnen Freiheit versprochen wurde. Die Freiheit, ironischerweise Essen auszuliefern, während man selbst einen Hungerlohn kriegt. Die Freiheit, mein Urlaubszimmer selbst zu putzen oder die Reinigung noch extra zu bezahlen, weil ich über AirBnB gebucht habe. Die Freiheit, 30 Prozent meines Umsatzes an eine monopolistische Plattform mit Steuersitz in Irland weiterzuleiten, weil es meiner Firma sonst an Sichtbarkeit fehlt.

Klar, dass Künstliche Intelligenz auf diesem emotionalen Fundament auf Widerstand stößt. Der versperrt allerdings die Sicht auf die Vorteile. Eine KI sortiert Daten und Informationen und kann sie auswerten. Für frühzeitige Diagnosen bei Krebs oder autonome Autos. In Anwaltskanzleien, Buchhaltungsabteilungen, Medienunternehmen und allen Firmen, die schon einmal von der Industrie 4.0 gehört haben.

Arbeitsplätze werden sich verändern. Die Künstliche Intelligenz ersetzt aber nicht Anwälte, Buchhalter und Journalisten. Sie ersetzt nur Anwälte, Buchhalter und Journalisten, die ohne KI arbeiten, durch welche, die sie verwenden. KI ist ein Tool zur Produktivitätssteigerung. Wie der Webstuhl, die Dampfmaschine, Mobilität oder die Digitalisierung. Letztlich könnte dieser Output-Schub das letzte Puzzleteil sein, das es für eine 4-Tage-Woche braucht.

Parallelen berühren sich nicht

Spätestens an dieser Stelle wird dann auch der Denkfehler deutlich, den viele bei ihrer Einschätzung von KI machen. Diese Technologie wird als abgeschlossener Raum betrachtet. Ein Raum, der bei Bedarf geöffnet wird. Das ist falsch. So falsch wie die gleiche Annahme schon beim Internet und der virtuellen Realität war und ist. Dem Gedanken liegt die vage Annahme zugrunde, dass alles, was digital ist, nicht echt, wirklich oder real ist. Dass ein Internet lediglich als Parallel-Universum neben der echten Welt existiert.

Doch mit Parallelen ist es so eine Sache – sie berühren sich nie. Das Internet, virtuelle Realität und KI tun aber genau das. Und mehr noch. Sie durchdringen und prägen die vermeintlich echte Welt sogar. Digitale Lösungen, die mir helfen, konkrete Probleme zu bearbeiten, sind nicht „virtuell“ oder „künstlich“, sondern eine Verlängerung meiner eigenen Fertigkeiten.

Künstliche Intelligenz darf nicht zum Affen werden

Gelangweilte Affen sind ein gutes Beispiel dafür, wie falsche Annahmen und Denkfaulheit funktionieren. Non fungible Token (NFT) gewannen an Öffentlichkeit, weil Prominente plötzlich für digitale Bilder – die mit einem solchen NFT versehen waren – Unsummen zahlten. Die Debatte beschränkte sich allerdings auf Preise und Margen. Schon hier hätte es dem Diskurs gutgetan, zu fragen, wie sich Schönheit und Wahrheit in digitalen Zeiten definieren. Was digitale Kunst von Ölgemälden unterscheidet. Welche Möglichkeiten NFT darüber hinaus noch bieten. All das blieb aus und muss jetzt nachgeholt werden. Und zwar dringend. Gleiches gilt für die Künstliche Intelligenz.

 

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