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Elon Musk: Der Mann, der jetzt einen Vogel hat

von Christian Domke-Seidel

Elon Musk hat Twitter gekauft. Und zwar zu teuer. Jetzt versucht der (noch) reichste Mensch der Welt zu retten, was zu retten ist. Mit teils haarsträubendem Kommunikations- und Management-Harakiri. Erst waren wir User:innen, jetzt nur noch Passagiere. Ein Nachruf auf Milliarden von Euro und eine einst beliebte Social-Media-Plattform.

Wenn es um Elon Musk und Twitter geht, ist es schwer Schritt zu halten. Quasi stündlich kann sich alles ändern. Twitter kaufen. Kauf abblasen. Dann doch. Verifizierungs-Haken ja. Aber nur gegen Geld. Dann wieder nicht. Beschäftigte kündigen. Dann wieder anheuern. Als User:in sitzt man wie auf dem Beifahrersitz in einem Rallyeauto. Man hofft, dass nichts Schlimmes passiert und wartet auf den richtigen Moment auszusteigen. Dabei geht alles viel zu schnell, um die neuesten Trümmer im digitalen Katastrophengebiet zu suchen. Deswegen sei hiermit die Geschichte von Anfang an erzählt. Elon Musk wollte Twitter kaufen.

Wie Elon Musk Twitter gekauft hat

Im April unterzeichnete Elon Musk eine Vereinbarung. Darin geregelt war, dass er Twitter für 44 Milliarden Dollar kaufen wolle. Zu diesem Zeitpunkt besaß er bereits 9,1 Prozent des Unternehmens. Kurze Zeit später zog er das Angebot zurück. Er selbst begründete es damit, dass zu viele Bots auf der Plattform gäbe. Eine andere Meinung ist, dass ihm aufgefallen sei, dass er zu viel Geld geboten habe. Denn vor der Übernahme taxierten Expert:innen Twitter auf rund 25 Milliarden Dollar Firmenwert. Und zweitens hat auch Elon Musk nicht so viel Geld griffbereit.

Um den Kauf zu finanzieren, lieh sich Elon Musk 13 Milliarden Dollar von diversen Banken. Unter anderem Morgan Stanley und Bank of America. Noch einmal 7,1 Milliarden Dollar kamen von einer Handvoll Investor:innen. Darunter beispielsweise Oracle-Gründer Larry Elisson. Aber vermeintlich auch Geldgeber aus China, Saudi-Arabien und Katar. Weil andere Partner:innen ihre Angebote zurückzogen, musste Elon Musk rund 22 Milliarden Dollar selbst aufbringen.

Damit begannen die Probleme. Denn um das zu tun, musste Elon Musk Anteile von Tesla verkaufen. Die hatten aber mittlerweile massiv an Wert verloren – und befinden sich seit der Twitter-Übernahme generell im Sinkflug. Verkauft der größte Anteilseigner große Menge Aktien, drückt das nun mal den Preis. Was wiederum die Kredite verteuert, die mit Tesla-Aktien besichert sind.

Elon Musk hat wegen Twitter Probleme mit den Geldgebern

Den Plan setzte Elon Musk ausgerechnet in Krisenzeiten um. Die Banken wollten umgehend nach Abschluss der Verträge die Kredite auf dem Finanzmarkt weiterverkaufen. Mögliche Abnehmer:innen fordern aber Abschläge von bis zu 40 Prozent. Parallel steigen im Kampf gegen die Inflation die Zinsen. Und weil Elon Musk einige der Kredite direkt Twitter umgehängt hat, sinkt der Wert seiner neuen Firma ebenfalls.

Doch nicht nur deswegen. Denn auch die US-Verbraucherschutzbehörde hat sich zu Wort gemeldet. Mit der hat Twitter seit seiner Gründung Probleme. Meist ging es um Datenschutz und die notwendigen Prüfungen neuer Funktionen. Jetzt kommen Finanziers aus China, Saudi-Arabien und Katar dazu. Und die Frage, wie viel Einfluss sie haben.

Elon Musk warnt vor Twitter-Pleite

Weil nicht ganz klar ist, wie es auf Twitter weitergeht oder wohin Elon Musk mit der Plattform überhaupt möchte, sprangen auch die Werbekund:innen ab. Denn, auch das gehört zu einer Übernahme: Als Aktiengesellschaft war Twitter verpflichtet, über Zukunftspläne, Investitionen und Risiken zu berichten. Elon Musk als alleiniger Eigentümer muss das nicht mehr tun. Wer sich für Twitter interessiert, muss sich auf das Wort des wankelmütigen bis exzentrischen Milliardärs verlassen.

Wie viel Vertrauen ihm die Wirtschaft entgegenbringt zeigten die Werbekund:innen sehr deutlich. Innerhalb von zehn Tagen nach Übernahme durch Elon Musk froren folgende Firmen ihr Werbebudget auf Twitter ein: Stellantis (u.a. Chrysler, Jeep, Fiat, Opel, Peugeot), Volkswagen, United Airlines, General Mills, Audi of America, General Motors und Gilead Science (Pharmakonzern).

Wie Elon Musk Twitter retten will

Elon Musk reagierte sehr laut auf das Chaos. Zurückhaltung war nie seine Art. Noch am ersten Tag seiner Amtsübernahme mussten Parag Agrawal (Firmenchef), Ned Segal (Finanzchef) und Vijaya Gadde (zuständig für den Kampf gegen Hassrede) gehen. Den Verwaltungsrat, das sogenannte Direktorium, löste er auf. Auch Lea Kissner (Chefin für Informationssicherheit) und Yoel Roth (Chef der Abteilung für Vertrauen und Sicherheit) mussten gehen. Also jene Menschen, die bislang das fragile Verhältnis mit der erwähnten FTC kitten mussten. Soweit war die Personalpolitik von Elon Musk noch vorhersehbar.

Kurios wird es mit einer Massenentlassung. Per E-Mail feuerte Elon Musk die Hälfte der etwa 7.500 Mitarbeiter:innen von Twitter. Ein Insider sagte aus, dass die Programmierer:innen beispielsweise nach der Menge an Zeilen aufgelistet wurden. Diejenigen, die quantitativ am wenigsten hatten, seien rausgeschmissen worden. Der Insider erklärte das Problem daran. Wer wenige Zeilen zustande gebracht hat, habe wahrscheinlich an eher komplexen und sehr spezifischen Problemen gearbeitet und sei eher ein:e Expert:in. Kein Wunder also, dass Elon Musk einen Teil der Kündigungen umgehend rückgängig machte. Wohl auch, weil die Angestellten eine Sammelklage vor dem obersten Gericht in San Francisco vorbereiten.

Neue Einnahmequellen für Twitter

Grund für die Kündigungen sei, so Elon Musk, dass Twitter der finanzielle Kollaps drohe. Das Unternehmen brauche neue Einnahmequellen. Eines davon soll ein blaues Häkchen sein, das es für 7,99 Dollar pro Monat gibt. Den gab es bislang nur für verifizierte Accounts. Also solche mit einer gewissen Reichweite oder von prominenten User:innen. So stellte Twitter sicher, dass andere User:innen den echten Politiker:innen, Influencer:innen und Unternehmen folgen und nicht irgendwelchen Fake-Accounts.

Elon Musk schien die Konsequenzen nicht erahnt zu haben. Innerhalb weniger Stunden schossen Fake-Accounts aus dem Boden, die sich allesamt für 7,99 Dollar den blauen Haken gesichert hatten. Ab diesem Moment twitterten völlig anonyme Menschen unter dem Namen von Tony Blair, Joe Biden, Nintendo und anderen. Auch Elon Musk selbst wurde persifliert, was dieser eher humorlos unter Strafe stellte und den User oder die Userin verbannte.

Das Chaos um den blauen Haken

Das Chaos rund um den blauen Haken begann mit einem Streit zwischen Elon Musk und Stephen King. Der Horror-Autor ist auf Twitter sehr beliebt und äußert sich sehr politisch. Er war der Meinung, dass Twitter ihn bezahlen solle fürs Schreiben. Musk antwortete lapidar, dass die Plattform nun mal Rechnungen bezahlen müsse. Es folgte eine aufgeregte Debatte und schließlich die Umsetzung des Abos. Woraufhin Fake-Accounts erstellt und per Abo verifiziert wurden.

Eine Person, die sich als George W. Bush anmeldete, erklärte die Aktion. Die Plattform werde dadurch unbrauchbar und Twitter müsse sogar die acht Dollar zurückzahlen, wenn innerhalb eines Monats ein Bezahl-Account suspendiert würde. Es war das Fundament eines digitalen Troll Festes. Chiquita-Bananen gab zu, im Jahr 1954 eine Regierung gestürzt zu haben (tatsächlich finanzierte der Konzern damals Paramilitärs in Guatemala für einen Putsch).

Der Pharmakonzern Eli Lilly kündigte an, zukünftig Insulin gratis herzugeben. Der Rüstungskonzern Lockheed wolle alle Waffenlieferungen an die USA, Israel und Saudi-Arabien einstellen, bis ihre Ermittlungen bewiesen hätten, dass damit keine Menschenrechte verletzt würden. Anders Tesla. Musks Elektroautomarke verkündete, 10.000 Fahrzeuge in die Ukraine zu liefern, weil es sich um Explosivwaffen handele (eine Anspielung auf brennende Akkus). OJ Simpson gestand den Mord an seiner Ehefrau, und der Konzern Nestle erklärte, dass er Wasser klauen und den Beklauten zurück verkaufen würde. Wenig überraschend stellte Twitter das Abo-System schnell wieder ein.

Die Zukunft von Twitter

Wie es mit Twitter weitergeht, ist schwer vorherzusehen. Vor allem dann, wenn die Plattform wieder verstärkt für Hassrede und Falschinformationen verwendet wird. Zumindest gefühlt scheint das Unternehmen Lichtjahre davon entfernt zu sein, zum Nährboden für eine neue #MeToo-Bewegung zu werden. Oder Kommunikationstool für einen neuen arabischen Frühling. Die vergangenen Chaostage dürften die Werbekund:innen nicht gerade beruhigt haben.

Über Twitter Blue

“Twitter Blue is our premium subscription service that elevates quality conversations on Twitter…”

Beispiele: Twitter Blue Fake Profile & Marken

mit Tony Blair, George W. Bush, Chiquita, Dave Chapelle, Eli Lilly.

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mit Elon Musk, George W. Bush, Lockheed, Nestle.

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mit Nintendo, OJ. Simpson, Rudy Giuliani, Stephen King.

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